Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

16 Reichstag. 
die Ehre des Deutschen Volkes. Das Parlament kann aber nur 
würdig dieser großen Deutschen Nation dastehen, wenn es erstens die 
Kompetenzen, die Zugeständnisse, die Rechte, die Frelheiten hat, 
die ihm zulommen, damit es existiren, damit es leben kann; es muß aber 
zweitens ein Parlament sein, welches richtig gewählt ist, es muß ein 
Parloment sein, das das Volksbewußtsein, die Meinung des Volkes 
wirklich zum Ausdruck bringt Und, meine Herren, wenn ich in die 
Alternative gestellt werde, ob ich ein Parlament wollte, ausgerüstet mit den 
größten Machtbefugnissen, aber nach einem Wahlgesetze gewählt, das die Mei- 
mung des Volkes nicht verträte, oder ob ich ein Parlameat wollte, welches 
gar keine Rechte hätte, nur berathende Stimme hätte, aber aus richtigem 
Wahlgesee hervorgegangen wäre: meine Herren, ich wllrde nicht einen Augen- 
blick in der Wahl schwanlen, wofür ich miich entscheiden sollte, ich würde 
dasjenige nehmen, welches, aus richtigem Wahlgesetze hervorgegangen, nur 
beratheude Stimme hätte, denn ich würde mir sagen, daß dieses Parlament, 
wenigstens wie jetzt die Lage der Welt ist, einen moralischen Druck auf 
die Regierung ausüben und daß es am Ende sich die Rechte und Frel- 
heiten erobern würde, die es haben muß. (Sehr richtig!) Meine Herren, 
es soll das Parlament hervorgehen aus allgemeinen directen Wahlen. 
Das Wort „geheim“ ist weggelassen, es ist durch ein Amende- 
ment bereits wieder hineinge bracht, und ich halte dieses Amende- 
ment für ganz richtig. Es ist gesagt worden, das allgemeine directe 
Wahlrecht solle hier nicht diseuirt werden. Ich will cs auch nicht dis- 
eutiren, aber ich meine doch, daß wenn unter uns, die wir auf Grund des 
allgemeinen directen Wahlrechts gewählt sind, vielleicht hier und da Einwen- 
dungen gegen dasselbe gemacht werden, es doch persönlich keinen Reduer in 
üblen Verdacht bringen könnte, wenn er gegen dieses allgemeine directe Wahl- 
recht einige allgemeine Grundsätze geltend macht. Meine Herren, das all- 
gemeine directe Wahlrecht ist meluc biebe nie gewesen, es bringt 
und legt die staatsbürgerlichen Rechte in die Hand einer Menge social wie 
geistig abhängiger Existenzen, und indem es dae thut, fordert es diejenigen 
Klassen und diejenigen Personen, die Einfluß auf diese social und geistig 
abhängigen Existenzen haben, heraus, sie zu bceinflussen. Wir haben 
aus den Wahlprufuugen gesehen, in welcher Weise solche Becinflussungen 
stattgefunden haben, und ich meine, es wird später noch schlimmer 
werden; die Parteien haben das erste Mal, wenn sie auch ihr Terrain kannten, 
doch die Mittel nicht gewußt, die anzuwenden sind. Ich fürchte, daß das 
bei den nächsten Wahlen in viel schlimmerer und ärgerer Weise 
geschehen wird, als es diesmal gewesen ist. Dieses System der Beein- 
flussung wird aber zu einer Corruption führen, die möglicherweise die 
Vortheile noch überwiegt, wenigsteus paralyfirt, die allerdings mit dem all. 
gemeinen Wahlrecht zusammenfallen, nämlich daß das ganze Volk sich für 
politische Sachen Interessirt und daran theiluimmt. Ich will über das
	        
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