Artikel 57—68. Oehmichen. 273
Präsenzzeit aufrecht erhält. Ich erinnere serner an das Jahr 1813. Hatte
eiwa damals die Preußische Armee, welche vorweg den Feind aus deu Deut-
schen Gauen herausschlug, früher eine dreijährige Präsen#zeit? Waren es
nicht Landwehrleute zum großen Theil, welche bedeutende Schlachten siegreich
schlugen, waren es nicht Landwehrleute, welche in Leipzig das Petersthor
stürmten und haben diese Leute vorher eine dreijährige Dienstzeit gehabt?
Sie sehen, meine Herren, daß es auf eine dreijährige Präsenzzeit nicht an-
kommt, sondern daraus, mit welchem Geiste die Truppen fechten, der Geist
in der Armee gewährt den Sieg. Es kommt nur daraus an, zu welchem
Zwecke der Krieg geführt wird. Wenn die Kriege zu dynastischen Zwecken
geführt werden sollen, so wird man die Begeisterung nicht finden, die man
in der Regel gefunden hat, wo es sich um nationale Angelegenheiten handelte.
Die Geschichte weist hierfür Beispiele genug nach, dann geht der Soldat
mit Lust und Liebe in den Kampf, ja er wird in dem Kampfe selbst erst
zum wirklichen Soldaten ausgebildet werden. Der dreijährige Dienst kann
das nicht allein hervorbringen. Ich habe allerdings den dringenden Wunsch
auszusprechen, daß diejenigen Herren, welche schwer von dieser Präsenzzeit
abgehen wollen, denjenigen Anträgen ihre Zustimmung geben, welche von
anderer Seite nach dieser Richtung als Verbesserungsanträge zu dem Ab-
schnitte eingebracht worden sind, da es nach meinem Dasürhalten Pflicht des
Hauses ist, diese colossale Last, welche in Ziffern in der That kaum darzu-
stellen sein dürfte, im Allgemeinen zu erleichtern, denn abgesehen von den
wirklichen baaren Bedürfnissen für die Erhaltung der Armee ist der volks-
wirthschaftliche Nachtheil, welcher durch die dreijährige Präsen#zeit der Nation
zugefügt wird, ein ungleich größerer. Die Verbesserungsanträge, welche uns
vorliegen, sind darauf gerichtet, diese Lasten zu vermindern. Stimmen Sie,
meine Herren, dem bei, Sie werden sich dadurch den Dank der Deutschen
Nation verdienen, Sie werden denjenigen, welche jetzt gezwungen oder nicht
gezwungen dem Norddeutschen Bunde beitreten, Vertrauen einflößen, Sie wer-
den das Mißtrauen beseitigen, was nach verschiedenen Richtungen hin immer
noch vorhanden ist, und auch seine Begründung hat, weil man in Verhält
nisse ein zutreten gezwungen ist, welche ganz verschieden sind von den zeitheri-
gen und namentlich in Bezug auf finanzielle Verhältnisse drückend wirken.
Daß man mit großer Freudigkeit in diese Verhältnisse einzutreten nicht ge-
neigt ist, ist aus diesen Gründen leicht entschuldbar. Es wird aber möglich
werden, man wird das Überwinden, man wird nach und nach sich daran ge.
wöhnen, wenn man andererseits abkommt davon, dem gesammten Deutschen
Volke Lasten aufzulegen, welche vermieden werden können, weil sie nicht un-
bedingt nöthig sind, um das große Ziel zu erreichen, dem wir Alle gemein.
schaftlich zustreben. Dies ist mein Wunsch und meine Bitte, ich hoffe, daß
sie nicht ganz ungehört und nicht ganz unbeachtet in diesem Saale ver-
schallen möge.
Raterialien 11 18.