Arktel 57—68. Aryger. 307
wig einen Ausnahmezustand, da er von einem eventuellen Uebergange Nord-
schleswig'scher Districte in den Besitz der Dänischen Krone handelt. Wenn
der Wiener Friede den einzelnen Bewohnern der Herzogthümer die Wahl ihrer
Unterthanenschaft und somit auch ihres Militärverhältnisses freigab, so ver-
leiht der 5. Artikel des Prager Friedens ganzen Bevölkerungen und ganzen
Districten Nordschleswigs diese Freiheit der Selbstbestimmung, diese Wahl
des Vaterlandes, mit welcher die Wahl des Kriegsherrn gleichbedeutend ist.
Ließ der Wiener Frieden die Männer, die im Dienste des Königs von Däne-
mark bleiben wollen, unangretastet, gestattete er ferner den Einzelnen, welche
ihrem Dänischen Könige die Unterthanenschaft bewahren wollten, die unbe-
lastete Uebertragung ihrer fahrenden Habe nach Dänemark, so eröffnet der
Prager Friede den Bevölkerungen Nordschleswigscher Districte in ihrer Ge-
sammtheit die Eventualität, unter Verbleib auf ihren heimischen Wohnsitzen
den altgewohnten Zusammenhang mit dem Königreich Dänemark wiederge-
winnen zu können. Es sällt durch den Prager Frieden für den Einzelnen
jedes Motiv der Auswanderung weg, es tritt vielmehr an die Stelle dieses
Motios die Pflicht, auf dem heimischen Boden auszuharren und demselben
das Votum, welches bei der vertragsmäßig stipulirten Abstimmung mitzu-
wirken hat, nicht zu entziehen. Hieraus folgt, daß der Reichstag, mit dem
Prager Frieden vor Augen, Veranlassung finden dürfte, sich aller solcher
Beschlüsse und Organisationen zu enthalten, durch welche dem Selbstbestim-
mungsrechte der Nordschleswiger präjudicirt wird, namentlich die Bestim-
mung Über das Bundeskriegswesen nicht auf Nordschleswig zu verpflanzen.
Letzteres schon aus dem Grunde, weil der abzuleistende Fahneneid in die
Freiheit der Abstimmung eingreisen wurde. Mein Recht, die obigen Erwä-
gungen im Namen meiner Wähler auszusprechen, gründet sich darauf, daß
auch mir, als einem Mitgliede dieses Reichstages, der Prager Friede zur
Kenntniß gekommen, und daß es meine Pflicht ist, das politische Recht, wel-
ches. zu vertheidigen mein Mandat erfordert, nach offenkundigen völkerrecht-
lichen Thatsachen zu ermessen. Dae juridische, das moralische Recht meiner
Wähler, sowohl eine Lösung der Frage ihrer Unterthanenschaft, als auch zu-
nächst eine vollständige Freihaltung dieser Frage in Anspruch zu nehmen,
begründe ich durch den Satz, daß die völkerrechtliche Stellung von Popu-
lationen und Territorien sich aus der Gesammtheit der Verträge, die in
Betreff derselben abgeschlossen sind, normirt, und daß solche Vertrüge, weil
von ihnen eine Bevölkerung sofort in allen ihren bürgerlichen Verhältnissen
ergriffen wird, neben der Pflicht der Vertragschließenden, das Stipulirte zu
halten, auch das Recht der Berölkerung, zu klaren Zuständen zu gelangen,
mit sich fUhren. Es ist die harte und drückende Folge eines Zustandes der
Ungewißheit, daß in ihm sich nicht bloß die Rechtsbegriffe verwirren, sondern
daß auch die Störung in alle Eigenthumsverhälmisse, die Gewissensnoth in
alle Familien verpflanzt wird. Die Ungewißheit würde nicht gehoben, son-
dern gesteigert werden, wenn der Reichstag sich etwa dahin beschiede, daß die
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