314 Bundeekriegswesen.
ist, ob sie ihrem Beruse zwei oder drei Jahre entzogen werden, und die Ent-
jiehung des dritten Jahres kann fie möglicherweise an der Fortbildung sehr
hindern und der eingeschlagenen Carriere für immer entziehen. Meine Her-
ten! Ich glaube, es kömmt im Augenblick wirklich nicht auf die Erörterung
dieser Frage an, ich habe das nur hier herausgegriffen, um Ihnen zu zeigen
und Sie zu ermahnen, so wichtige Lebensfragen nicht nebenher hier bei der
Verfassung entschelden zu wollen, sondern eben den künftigen Reichstagen und
der künftigen reiflichen Erwägung diese Dinge vorzubehalten. Man sagt
nun immer, diese dreimalhunder ttausend Mann seien keine Bedrohung des
Europäischen Friedens und insofern also auch ungefährlich. Ja, meine
Herren, das kann ich zugeben, man wird auch in einem so starken Friedens-
heer noch nicht eine Bedrohung des Europäischen Friedens sehen, aber hal-
ten wir einen so hohen Präsenzstand, so wird es zur Folge haben, daß die
Nachbarn einen eben so hohen und wenn möglich noch höheren anzuschaffen
sich gedrungen fühlen, und das, meine Herren, giebt eben jenen unleidlichen
Zustand in Europa, der fort und fort die Militairetats der einzelnen Länder
steigert und fort und fort einen größeren Theil der Staatseinkünfte für diese
militairischen Ausgaben, die ich doch als unproductive bezeichnen muß, erfor-
dert. Es haudelt sich ja dabei, meine Herren, nicht darum, wie auch heute
hier wieder gesagt worden ist, man wolle das Land wehrlos und schutzlos
machen; nein, es handelt sich nur darum, zu erwägen: wieviel kann ein Land
mit Recht aufwenden, um diesen für Kriegs= und Gefahrszeiten nöthigen
Schutz dauernd zu bezahlen? Und da möchte ich dann diejenigen Herren,
die so oft die sociale Frage im Munde führen, doch recht aufmerksam machen,
daß meiner Ansicht nach gerade der wesentlichste Kern der socialen Frage,
wie sie heute noch in Europa vorliegt, in der Ueberlastung sämmtlicher
Budgets der Einzelstaaten durch die Militairausgaben liegt. (Hört! hört!)
Diese Verwendung zu unproductiven Ausgaben muß die natürliche Folge
haben, daß die Capitalbilduug nicht so rasch fortschreitet wie die Vermehrung
der Bevölkerung, und daß wir aus solchen augenblicklichen Zuständen dann
es erleben müssen, daß uns solche Sätze als ewige Gesetze entgegengestellt
werden von einer gewissen Seite her. Meine Herren, ewige Gesetze sind sie
gewiß nicht, sondern dieses Gesetz würde beseitigt werden, sobald es möglich
wäre, in den Curopäischen Ländern eine Ermäßigung der Militairbudgets
hervorzurufen. Dann würde sich die Wechselwirkung auf die Entwickelung
des Handels und der Industrie und damit auf die Steigerung des Wohl-
befindens und der guten Lage der arbeitenden Klassen sehr bald in einem
entschiedenen Maße bemerklich machen. Das aber, meine Herren, wirkt selbst
wieder auf die Wehrfähigkeit zurück; denn der verehrte Abgeördnete für
Memel wird mir auch gestatten, daß ich sage, sein Vergleich zwischen den
Truppen Oesterreichs und den unsrigen war ein nicht ganz zutreffender.
Ich glaube, daß selbst der Mann, der bei uns nur 11 Jahre in den Waffen
ausgebildet is, doch vermöge seiner größeren sonstigen Ausbildung noch ein