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erklären zu mussen. Aber, meine Herren, ich habe mich — und meine
Freunde haben dasselbe gethan — wir haben uns bei der Berathung dieser
Versassungsurkunde von Hause aus auf den Standpunkt gestellt, der mir der
allein richtige zu sein scheint: wir haben uns nämllch nicht damit beschäftigt
und Studien darüber gemacht, ob wir im Stande wären, nach unserem
Parteiprogramme eine bessere und uns wohlschmeckendere Verfassungsurkunde
zu entwersen und vielleicht hier zu Stande zu bringen, — sondern wir haben
uns die Sitnation dahin klar gemacht, daß wir vor die Alternative
gestellt sind: entweder den Bund, wie er uns vorgelegt wird, auf der Basis
der vertragsmäßig vereinbarten Verfassungsurkunde, auzunehmen, oder aber,
meine Herren, nicht eine bessere Versassungsurkunde, sondern einen
besseren Bund zu Stande bringen zu können; denn darauf scheint es
mir wesentlich anzukommen. Die Alter native ist nicht die, ob wir
eline verbesserte Versassungsurkunde zu Stande bringen können,
sondern ob wir, wenn wir das Zustandekommen dieses Bundes unmög-
lich machen, uns dann zutrauen dürfen, einen besseren Bund zu
Stande bringen zu können. Meine Herren, ich habe deßhalb auch stets
in dem Laufe unserer Verhandlungen den Wunsch gehegt, daß wir uns vor
allen Dingen ansehen mögen als eine politische und als eine staats-
männische Versammlung, von der in der Eröffnungsrede dieses
Reichstages mit Wahrheit gesagt werden konnte, daß seit Hunderten von
Jahren nicht eine solche Versammlung den Thron eines Deut-
schen Fürsten umgeben hat. Ich möchte nicht, daß wir diesen
Namen verscherzten und verlören, sondern daß man uns, wenn wir
augeinandergehen, noch dasselbe Zeugniß zu geben im Stande ist. Darum,
meine Herren, trete ich an die Prlifung der Bestimmungen der Verfassungs-
urkunde nicht mit einer bloßen Parteikritik heran, sondern ich frage mich
höchstens, ob ich von Gewissens wegen denjenigen Bestimmungen zu-
zustimmen vermag, die in dieser Versassungsurkunde niedergelegt sind.
Meine Herren! Wir haben in diesen Tagen sehr viel von Verant-
wortlichkeit gesprochen, von Verantwortlichkeit anderer Leute,
aber leider, wie es mir scheint, nicht genug von unserer eigenen Ver-
antwortlichkeit. Meine Herren! Doas ist geschichtlich und parlamentarisch
der Hauptschaden und der Hauptworwurs aller Deutschen Oppositlonen bis
heute gewesen, daß sie sich niemals der vollen Verantwortlichkeit ihrer eigenen
Opposition bewußt geworden und bewußt geblieben sind. (Ohol links. Sehr
richtig! rechts.) Meine Herren! Mit diesem Bewußtseln unserer eigenen
Verantwortlichkeit wollen wir an diese Verfassuugsurkunde herantreten und
uns stets gegenwärtig halten, daß wir ulcht bloß einen Versassungsartikel
beseitigen, wenn wir ihn verwerfen, sondern daß wir damit ein ganzes Werk
in Frage stellen, wofür wir unsererseits einen Ersatz zu bieten nicht im
Staude sind. Dies vorausgeschickt, meine Herren, krage ich melnerseits
kein Bedenken, mich für den Inhalt dieses Artikels auszusprechen. Ich