340 Bundeskriegewesen.
Verfassung zu zeigen, welche ein vollständiges Kriegsgesetz enthält; dann will
ich mich belehren lassen, eher nicht. Es war damals oft die Rede davon,
die Gestaltung Preußens, wie sie war, mit diesen ungünstigen Grenzen for-
dere ein so unerhört großes stehendes Heer, fordere jetzt zurückzugehen von
den großen Principien, die von Scharnhorst und Boyen damals eingeweiht
sind, jenen Principien, welche noch im Jahre 1857 bei dieser Herstellung
der dreijährigen Dienftzeit ausdricklich von der Regierung anerkannt wur-
den, nämlich daß das stehende Heer nichts anderes sei, als die Schule des
Volkes für den Krieg, daß, wie es in der Landwehrordnung heißt, ein mäßiges
stehendes Heer sein kann und die ganze Krast außer diesem stehenden Heer
in der Landwehr liegen soll. Diese Grundsätze find von so unnennbar wich-
tigen Folgen gewesen für die Preußischeu Finanzen und von der größten Ein-
wirkung in volkswirthschaftlicher Beziehung, um die Preußischeu Lande, die
damaligen neuen und alten, mit der allgemeinen Wehrpflicht, dieser großen
bisher unbekannten Last, zu verföhnen. Sie sind so allgemein in ganz Europa
anerkannt, daß jeder Preuße auf das Landwehrinstitut seinen wahren Stolz
hegte, daß er sagte, wir können die Verfassung entbehren, weil wir die Land-
wehr haben, weil wir dieses allgemeine Volksheer besitzen und dadurch die
Garautie gegen muthwillige Kriege am besten in der Hand haben. Das hat
sich im Jahre 1830 bewährt, wo man von vielen Seiten gern zum Kriege
gegen die Julirevolntion geschritten wäre, aber es nicht that und die Furcht
vor Preußen dessenungeachtet ebenso groß war, weil es in den französischen
Blättern hieß: La Prusse a son indbranlable Landwehr. Da lag eine
wahrhafte Schutzwehr für den Frieden darin, ohne das Land durch große
Rüstungen und große stehende Heere aufzuzehren. Meine Herren, die Re-
organisation fand im Jahre 1859 statt. Sie erklärte die Landwehrregimenter,
wie sie existirt hatten, für Linienregimenter. Sie verdoppelte die Zahl der
Linienregimenter, und da sie zu diesem Zwecke die fünsjährige Dienstzeit im
stehenden Heere abschaffte und die siebenjährige Dienstzeit einführte, rüttelte
sie an den Grundlagen des Gesetzes von 1814. Und man legte wenigstens
damals ein Aenderungsgesetz mit dieser siebenjährigen Dienstzeit vor, wiewohl
allerdings von Seiten der Regierung behauptet wurde, es sei das nicht so
sehr nothwendig. Wie nothwendig es war, ist von allen Seiten anerkannt
worden, da nach dem Gesetze von 1814 es nicht möglich ist, die einzelnen
Wehrpflichtigen anders zu verwenden, als durch dies Gesetz feftgestellt ist,
und es danach namentlich nicht möglich ist, Leute, die zur Landwehr gehören,
zur Kriegsreserve einzustellen. Dessen ungeachtet, meine Herren, mag man
jetzt urtheilen darüber, wie man will, das ist zu constatiren für diejenigen,
die es nicht wissen, daß einschließlich des Herrn Abgeordneten von Vincke,
der Vorsitzender der Militärcommission von 1860 war, nur Eine Stimme
im ganzen Lande war gegen diese Art und Weise, das Heer anders einzu-
richten. Und wenn der Herr Abgeordnete Lasker hier gesagt hat, es möge
nicht wieder die Verdächtigung aufkommen, als wolle die liberale Partei das