Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 59. Waldeck. 341 
Land wehrlos machen, so haben wir diese Berdächtigung immer mit dem 
größten Unwillen zurlickgewiesen. Es ist diese Verdächtigung ganz unbegründet 
gewesen: wir gerade haben die Wehrhastigkeit des Landes stets fördern wollen; 
aber wir haben sie zugleich sördern wollen auf den großen Grundlagen, welche 
das Landwehrsystem giebt. Meine Herren, es wurde damals ausdrucklich 
von einem Abgeordneten, einem damaligen Abgeordneten fÜUr Berlin, Herrn 
Beseler gesagt: wie traurig ist es, daß Preußen damals nicht auf den Kaiser- 
titel eingegangen ist; wie traurig ist es, daß wir nicht ein Deutschland haben, 
dann würden so excessive Forderungen gar nicht vorkommen; dann wären 
solche Grenzen nicht zu vertheidigen und solche Ersolge nicht erst zu erringen. 
Se. Majestät der König hat in der Thronrede zum Abgeordnetenhause aus- 
drücklich gesagt, daß die Militärlast eben durch die Verbindung zu elnem 
größeren Ganzen und durch die Bündnisse erleichtert werden würde. Nun, 
meine Herren, was hat es denn für einen Sinn, wenn die Herren, die hler 
(auf der Rednerbühne) gestanden haben, ausdrücklich anerkennen, daß ste nun 
mit einem Male ihre eigenen Worte — wie die Franzosen sagen würden — 
hinunterschlucken wollen, wenn sie nicht eilig genug sein zu können glauben, 
um die Reorganisation da anzuerkennen, wo vernünftiger Weise weder von 
Organisation noch von Reorganisation die Rede ist. Indem Sie ein Nord- 
deutsches Heer gründen wollen, gehen Sie auf diesen Conflict ein, der gar 
nicht hierher gehört. Sie wollen hier den Conflict entscheiden. Warum wollen 
Sie ihn entscheiden? Um der Bundesgesetzgebung einen Riegel vorzulegen. 
Denn, meine Herren, wenn das Thor einmal geschlossen ist, so kann die 
Bundesgesetzgebung nicht mehr wirken, weil zur Bundesgesetzgebung die Ein- 
willigung aller dabei betheiligten Factoren gehört. Sie führen die Bundes- 
gesetzgebung hier ein ohne eine connaissance de cause. Wir wissen, daß 
das Bundesheer organistrt ist, daß es bestimmt ist, wie es werden soll; aber 
Sie kennen es doch nicht, und Sie sind gar nicht befähigt, jetzt zu urtheilen, 
ob Sie für die ganze Folgezelt dem Volke die drücckende vast einer sieben- 
jührigen Dienstzeit im stehenden Heere mit allen ihren großen, weitgreifenden 
Folgen, die Vielen hier noch gar nicht bekannt sind, jetzt auflegen wollen. 
(Bravol links.) Es ist ein großer Unterschled, besonders nach den Aus- 
legungen, wie sie stattgesunden haben, die Landwehr soll nur bei entstehen- 
dem Kriege auch ausgehoben werden, bet bevorstehendem Kriege die Kriegs- 
reserve. Dessen ungeachtet ist die Kriegsreserve sehr häufig, ohne daß der 
Krieg bevorstand, ohne Vorhaudensein einer Kriegsgesahr eingezogen worden. 
Welchen Einfluß es auf die Gewerbe hat, ob man 5 Jahre oder 7 Jahre 
zum stehenden Heere gehört, das ist doch wohl Jedem einleuchtend. Die 
Landwehr hatte nur bestimmte Pflichten der jährlichen Uebungen; sie hatte 
außerdem die Pflicht, nur bei einem wirklichen Kriege einzutreten, und diese 
flicht, im Kriege einzutreten, läßt sich natlirlich jeder Bürger gern gesallen. 
Die Landwehr ist eine Truppe, die sich einer großen und populären Achtung 
mit Recht erfreut. Sie fand bei den Militärs von Fach natürlich immer
	        
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