Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

362 Bundeekriegswesen. 
wir find nicht in den Fall gekommen, unsere Defeusiokraft zu erproben, weil 
von der Offensivkrast trotz der angeblich erdrückenden und aussaugenden 
Militairlast ein beifpielloses Kapital vorhanden war. Und ebenso ist in 
diesem in mehrsacher Beziehung beifpiellosen Kriege auch das Beispiellose 
vorgekommen, daß eine Europäische Großmacht mit zerschmetternden Streichen 
zu Boden geschlagen worden ist, ohne daß der Gegner sich in der Nothwendig- 
keit besand, an irgend einer Stelle außerordentliche Subsidien zu Hülfe zu 
nehmen. (Hört! hört! Sehr richtig!) Glänzende strategische Operationen, 
reißende Invasionen haben auch große Capitainc vergangener Jahrhunderte 
geleistet, mir aber, meine Herren, ist in aller Weltgeschichte kein Fall be- 
kaunt, kein Beispiel in Erinnerung, wo eine Großmacht eine andere vernich- 
tend niedergeworsen hat, ohne im Laufe des Krieges zu Steuererhöhungen, 
Papiergeldemissionen oder Schuldencontrahirung schreiten zu müssen. Ein 
solcher Fall, meine Herren, ist doch evidentermaßen absolut undenkbar in 
einem Lande, das während des Friedens durch seinen Militairstand ausge- 
sogen und ausgemergelt worden ist! (Sehr wahr! Lebhaftes Bravol) 
Wir laboriren in manchen unserer Provinzen, wir laboriren in manchen 
unserer Städte, in manchen unserer Landbezirke jetzt noch an den ökonomischen 
Uebelständen der kriegerischen Zeit. Die Geschäftsstockungen, die die noth- 
weudige Begleiterin eines jeden, gleichviel beinahe ob siegreichen oder unglück- 
lichen Krieges ist, wirkt auch auf eine gewisse Folgezeit nach, und wirkt zu- 
weilen in dieser Folgezen empfindlicher als während der Katastrophe selbst. 
Zu dieser Lage sind auch wir, meine Herren, ich konn mich aber nicht da- 
von überzeugen, daß derartige Geschäftsstockungen, derartige industrielle Krifen 
als eine Folge der Verarmung des Landes durch den bisherigen Militairstand 
bezeichnet werden können. Ich möchte gerade umgekehrt sagen: sie sind die 
Folge der kriegerischen Conjunctur, die fort und fort mit immer schwärzeren 
Wolken den Europüischen Horizont erfüllt, die Folge des allgemeinen Miß- 
trauens, welches durch alle Adern der ökonomischen Gesellschaft sich ergießt, 
und wenn Sie ein Mittel gegen dieses Mißtrauen, wenn Sie eine Zuver- 
sicht gegenüber den kommenden Conjuncturen austreiben können, dann, meine 
Herren, heilen Sie diese ökonomischen Schwierigkeiten auf die einzig wirk- 
same Art. Meine Herren, Jedermann in Europa weiß, daß wir Niemand 
bedrohen. Mit gutein Grunde aber hat schon vor einiger Zeit ein Englän- 
der das Wort geschrieben: „Wenn Norddeutschland sortfährk, für unbesiegbar 
in der Welt zu gelten, daun ist der Frieden Europas fest gesichert.“ (Sehr 
richtig!) Und demnach, meine Herren, sordere ich Sie auf, khun Sie das 
Nöthige, damit Deutschland sortfahre, uubesiegbar zu erscheinen; dann wer- 
den Sie auch den ökonomischen Uebelständen des Augenblicks auf die wirk- 
samste Weise abgeholfen haben. (vebhaftes Bravo rechts.) 
von Jorckenbeck (Wolmirstedt- Neuhaldensleben).') Meine Herren! 
  
*) Si. Ber. Z. 571.
	        
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