Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artitel 60. Fordenbed. 363 
Der Artikel 56 des Verfassungsentwurfs ist gewiß einer derjeuigen in der 
ganzen Berfassung, der ain allerschwersten wiegt. Ich kaun in Bezie- 
hung auf diesen Artikel nicht weiter gehen, als wie diefes in 
meinem Amendement geschehen ist, und persönlich kann ich hinzu- 
fügen — und ich spreche da nur streng persönlich — daß es in dieser Frage 
für mich ein „bis hierher und nicht weiter“ giebt. Zur Motivirung 
dieser Ansicht erlaube ich mir zunächst die Frage, welches denn die Frie- 
denspräsenzstärke ist, die in dem Artikel 56 der Verfassung für alle Zei- 
ten als Grundgesetz der Verfassung festgestellt werden soll? Nach den Mo- 
tiven und Erläuterungen, die Seitens des Bundescommissarius, Kriegs- und 
Marineministers von Roon mitgetheilt worden find, nehme ich an, daß das 
Bundesheer nach dieser Feststellung für alle ewige Zeiten 300,000 Mam 
inrl. 39,000 Unterofficieren, incl. der Specialformationen, namentlich der 
vandwehrstämme, haben wird, excl. 39,000 Officieren und excl. der einjäh- 
rigen Freiwilligen. Die Letzteren, welche in Preußen jährlich circa 3000 be- 
trugen, wenn ich nicht irre, werden nach den Grundsätzen, welche hinsichtlich 
der Aushebung und Zulassung von Freiwilligen nach den öffentlichen Blät- 
tern in den neuen Provinzen beobachtet werden, eine nicht unerhebliche Zahl 
bilden. Sie sind aber in den Etats der Friedensarmee in Preuhen bisher 
nicht aufgeführt worden, und ich glaube daher annehmen zu müssen, daß diese 
Freiwilligen bei den 300,000 Mann nicht mitzählen. Zch stelle anheim, in 
diefer Beziehung, wenn ich mich irre, mich zu berichtigen. Meine Herren! 
Ich halte nun überhaupt eine grundgesetzliche Bestimmung der Friedens-= 
R#iffer der Armee für alle Zeiten nicht für zulässig. Ich bin überhaupt 
der Ansicht, daß die Contingentirung der Friedensarmer nach der Friedens- 
ziffer nicht ein glücklicher Bersuch der Lösung des Widerstreites zwischen 
den finanziellen, volkewirthschaftlichen und auf der anderen Seite mili- 
tairischen Bedürfnissen ist. Wenn der Herr Kriegeminister betont hat, 
daß im Laufe der Verhandlungen über die Reorganisation im Abgeordueten- 
hause die Contingentirung der Friedensarmee von ihm verlangt sei, so glaube 
ich, daß er mir einen derartigen Versuch nicht nachweisen wird. Ich habe 
vielmehr den Compromiß, der immer geschlossen werden muß zwischen den 
Kriegsbedürfnissen und zwischen den Bedürfmissen der Bolkewirthschaft und 
der Fimnzen, gefunden einmal in der Zahl und Existenz der Cadres, dann 
in der gesetzlich feststehenden Präsenzzeit und endlich in der Fixirung des 
Jahrescontingents der durch die Musterungebehörden Ausgehobenen und der 
dreijährigen Freiwilligen, und habe geglanbt, daß in diesen drei Factoren sich 
vernünftig der Compromiß zwischen den verschiedenen Interessen fünden lößt. 
Eine grundgesetzliche Bestimmung aber der Friedensjiffer für iiuumer halte ich 
weder für möglich, noch für politifch. Meine Herren! Es ist doch ganz 
klar, daß die Bestimmung der Friedensziffer der Armee abhängig ist einmal 
von dem Bedürfnisse des Militairs, andererseits von dem Bedürfniß der 
Bolkswirthschaft und der Finanzen, daß sie namentlich abhängig ist von der
	        
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