Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

364 Bundeskriegswesen. 
augenblicklich oder für eine Reihe von Jahnn gegebenen politischen Lage des 
Landes, und daß dieses Factoren sind, die einem steten Wechsel unterworfen 
sind. Wenn ich anerkenne, dah dies die Factoren sind, nach welchen in je- 
weiligen bestimmten Perioden die Friedensziffer der Armee festgestellt wird, 
so liegt doch die Frage nahe: Wie ist es möglich, mit apodiktischer Gewiß- 
heit sagen zu wollen: „dieses ist die richtige Ziffer für immer“, und dadurch 
Besorgulsse in das Land zu werfen, die, wenn man es vernünftig offen laßt, 
von Zeit zu Zeit nach bestimmten regelmähigen Abschnitten die Friedensziffer 
zu bestimmen, von vornherein vermieden würden. Meine Herren, ich folge 
in dieser Beziehung immer noch dem Gesetz vom 3. September 1814 und 
ich glaube, daß der Artikel 3 dieses Gesetzes, der Grundsatz nämlich: „die 
Stärke des stehenden Heeres und der Landwehr wird nach den jeweiligen 
Staatsverhältnissen bestimmt,“ der richtige und maßgebende ist. Ich glaube, 
daß die Geschichte unseres engeren Staates vom Jahre 1814 bis zum Jahre 
1867 hinein die Richtigkeit dieses Grundsatzes bewiesen hat. Sie documentirt 
und stellt fest, daß je nach den verschiedenen Staatsverhältnissen, je nach den 
verschledenen Bedlirfnissen des Landes in den Finanzen und in der Volks- 
wirthschaft und je nach den äußeren Gefahren wir bei der allgemeinen Wehr- 
pflicht eine Armee in der Friedengziffer differirend von 130,000 bis 215,000 
Mann gehabt haben, und dieses vernünftige Verhältniß will ich für die Zu- 
lunft principiell aufrecht erhalten haben. Soll aber einmal eine Friedens- 
ziffer für alle Zukunft bestimmt werden, soll also, um mich des vulgären 
Ausdrucks zu bedienen, die Armee contingentirt werden, so ist doch Contin- 
gentiren und Contingentiren je nach der Zahl, die Sie wählen, ganz etwas 
Verschiedenes. Wählen Sie eine sehr hohe Ziffer nach den vorwiegenden 
Bedürfnissen der militalrischen Sicherheit, und stellen Sie diese hohe Ziffer 
für alle Zukunft fest, so bedeutet das meiner Ueberzeugung nach: Unabhängig- 
keit der militairischen Executive von dem Landtag und von dem Reichstag 
für immer und daher zweitens in Bezug auf die Militairverwaltung Ver- 
nichtung des Budgetrechts, welches das Volk verfassungsmäßig in den Staa- 
ten Norddeutschlands hat. (Sehr richtig!) Wenn für alle Zeiten fest- 
gesetzt ist: das ist die Ziffer, die der Kriegsminister verlangen kann, 
wenn ferner in dem Satz von 225 Thalern, der verlangt wird, meiner 
Ansicht nach kein Schutz gefunden werden kann, — denn der Sat ist nicht 
zu niedrig, er wird bald erreicht werden, — so wird bei der Festsetzung 
dieser Ziffer die ganze Thätigkeit des Reichstags in einer ohn- 
mächtigen, unverantwortlichen, deshalb doctrinären, deshalb 
für die Folgegeit und für die Verhältnisse des Staates gefähr- 
lichen Kritik des Budgets bestehen, während, wenn Sie dem 
Reichstag innerhalb bestimmter Grenzen practische Wirksamkeit sichern. 
die Gefahr dieser ohnmächtigen und gefährlichen Kritik meiner Ansicht nach 
beseitigt wird. Meine Herren, daß die Zahl eine hohe ist und zwar eine 
hohe ist für ganz Norddeutschland, wenn sie auch vielleicht die alten Pro-
	        
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