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ist richtig, wir haben die politische Situation auch bei den Generaldebatten
früherhin anerkannt, und wir haben dies bei unseren Forderungen in Bezie-
hung auf Verbesserungen dieser Verfassungsvorlage durch die That bewiesen,
indem wir Überall nicht dem, was uns sonst wohl als erstrebenswerthes
Ziel vorschwebte, Rechnung getragen haben, sondern mit allen unsern Amen-
dements nachweislich weiter nichts bezweckten, als daß uns derjenige Grad
von politischen Rechten und Freiheiten, den wir und die Bevölkerung der
anderen deutschen Staaten bereits besitzen, nicht verloren gehr. Das heißt
denn doch, seine Forderung bei der Neugestaltung des Norddeutschen Bundes
auf ein bescheidenes und, wie ich aber zugebe, durch die Sachverhältnisse
gebotenes Maaß beschränken. Aber, meine Herren, mit der politischen
Situation, der wir so schon Rechnung getragen haben, sieht es bei der
Anwendung auf die vorliegende Frage doch etwas anders aus. Man kann
die Krlegsgefahr zugeben, aber, meine Herren, wollen Sie denn die Dauer
der Kriegsgesahr gleich auf eine Reihe von Jahren fixiren? (Hört! links.)
Wase heißt das, 7 Jahre dauert die Kriegsgefahr oder 5 Jahre oder 3 Jahre
oder 2 Jahre, oder wie viel Sie auch annehmen? Deswegen mlissen wir die
Forderungen der Regierung auf so lange voraus bewilligen? Wer will denn
das voraussagen? Das thun Sie ader mit Ihrem Interimisticum. Ist
denn das zulässig, konn man denn wirklich solche Vorschläge damit motivi-
ren und hat das nicht die nachtheiligsten Folgen für unser Vand und unsere
Stellung? Blicken Sie denn doch elnmol ein wenig nach Außen. Wir haben
doch auch mit Finanzfragen zu thun, wenn es sich um Kriegsbereitschaft
handelt; wir haben die finonziellen Kräfte des Landes zu bedenken. Was
soll nun diese Kriegsbereitschaft auf die Industrie für elnen Einfluß ausliben,
die doch schon in Folge des vorjährigen Krieges gedrückt genug ist, wenn
Sie in dem Reichstage sagen, die Kriegsgefahr dauert noch 7, oder 5, oder
2 Jahre, oder wie lange Sie wollen? (Lebhafte Zustimmung links.) Solche
Dinge sagt man doch bei Gott nicht mit solcher Präcision vorher, (Heiter-
keitl) das muß doch einen ungünstigen Druck auf das Land und auf die In-
dustrie ausüben! Nein, meine Herren, wir haben es hier mit einer Orga-
nisation des Heeres für den Frieden zu thun, und in demselben Augen-
blick, wo andere Momente dazwischen treten, wo das Ausland störend sich
einmischt in unsere Angelegenheiten, wird es Sache der Königlichen Regie-
rung sein, vor den Reichstag zu treten und zu sagen: Jetzt sind die Dinge
anders, jetzt fordern wir Geld und Leute. So gehört es sich in constitutio-
nellen Staaten, wo man wahrhaftig (Bravo!l links) nicht 7, 5, 4 Jahre die
Kriegsbereitschast decretirt! (Sehr wahr!) Das kann man nicht! Sie kön-
nen nicht 4 Jahre lang oder wie viel Jahre sonst der Regierung eine solche
Dictatur in Militairsachen geben. Damit verderben Sie die Sache. Die
Reglerung wird weit mehr gestärkt werden im Falle eines Krieges, wenn
sie den Reichstag beruft und den Consens dieser Körperschaft, die das Land
vertritt, zur Führung des Krieges erbittet. Und, meine Herren, ich deuke