Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artilel 60. Schulze. 373 
ist richtig, wir haben die politische Situation auch bei den Generaldebatten 
früherhin anerkannt, und wir haben dies bei unseren Forderungen in Bezie- 
hung auf Verbesserungen dieser Verfassungsvorlage durch die That bewiesen, 
indem wir Überall nicht dem, was uns sonst wohl als erstrebenswerthes 
Ziel vorschwebte, Rechnung getragen haben, sondern mit allen unsern Amen- 
dements nachweislich weiter nichts bezweckten, als daß uns derjenige Grad 
von politischen Rechten und Freiheiten, den wir und die Bevölkerung der 
anderen deutschen Staaten bereits besitzen, nicht verloren gehr. Das heißt 
denn doch, seine Forderung bei der Neugestaltung des Norddeutschen Bundes 
auf ein bescheidenes und, wie ich aber zugebe, durch die Sachverhältnisse 
gebotenes Maaß beschränken. Aber, meine Herren, mit der politischen 
Situation, der wir so schon Rechnung getragen haben, sieht es bei der 
Anwendung auf die vorliegende Frage doch etwas anders aus. Man kann 
die Krlegsgefahr zugeben, aber, meine Herren, wollen Sie denn die Dauer 
der Kriegsgesahr gleich auf eine Reihe von Jahren fixiren? (Hört! links.) 
Wase heißt das, 7 Jahre dauert die Kriegsgefahr oder 5 Jahre oder 3 Jahre 
oder 2 Jahre, oder wie viel Sie auch annehmen? Deswegen mlissen wir die 
Forderungen der Regierung auf so lange voraus bewilligen? Wer will denn 
das voraussagen? Das thun Sie ader mit Ihrem Interimisticum. Ist 
denn das zulässig, konn man denn wirklich solche Vorschläge damit motivi- 
ren und hat das nicht die nachtheiligsten Folgen für unser Vand und unsere 
Stellung? Blicken Sie denn doch elnmol ein wenig nach Außen. Wir haben 
doch auch mit Finanzfragen zu thun, wenn es sich um Kriegsbereitschaft 
handelt; wir haben die finonziellen Kräfte des Landes zu bedenken. Was 
soll nun diese Kriegsbereitschaft auf die Industrie für elnen Einfluß ausliben, 
die doch schon in Folge des vorjährigen Krieges gedrückt genug ist, wenn 
Sie in dem Reichstage sagen, die Kriegsgefahr dauert noch 7, oder 5, oder 
2 Jahre, oder wie lange Sie wollen? (Lebhafte Zustimmung links.) Solche 
Dinge sagt man doch bei Gott nicht mit solcher Präcision vorher, (Heiter- 
keitl) das muß doch einen ungünstigen Druck auf das Land und auf die In- 
dustrie ausüben! Nein, meine Herren, wir haben es hier mit einer Orga- 
nisation des Heeres für den Frieden zu thun, und in demselben Augen- 
blick, wo andere Momente dazwischen treten, wo das Ausland störend sich 
einmischt in unsere Angelegenheiten, wird es Sache der Königlichen Regie- 
rung sein, vor den Reichstag zu treten und zu sagen: Jetzt sind die Dinge 
anders, jetzt fordern wir Geld und Leute. So gehört es sich in constitutio- 
nellen Staaten, wo man wahrhaftig (Bravo!l links) nicht 7, 5, 4 Jahre die 
Kriegsbereitschast decretirt! (Sehr wahr!) Das kann man nicht! Sie kön- 
nen nicht 4 Jahre lang oder wie viel Jahre sonst der Regierung eine solche 
Dictatur in Militairsachen geben. Damit verderben Sie die Sache. Die 
Reglerung wird weit mehr gestärkt werden im Falle eines Krieges, wenn 
sie den Reichstag beruft und den Consens dieser Körperschaft, die das Land 
vertritt, zur Führung des Krieges erbittet. Und, meine Herren, ich deuke
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.