Artikel 60. Braun ·Weob. 381
vor, welcher die Mannschast und das Geld contingentirt. Käme nun zwi-
schen uns und den verblindeten Regierungen keine Uebereinkunft zu Stande,
so vermuthe ich, daß zunächst die betreffenden Regierungen loyal genug sein
würden, sich durch diesen Vertrag gebunden zu erachten. Sie würden alfo
dann die Kriegsversassung unter Zustimmung ihrer einzelnen Landtage durch-
zuführen suchen. Sie würden vielleicht bel den einzelnen Landtagen auf
Schwierigkeiten und Widersprüche stoßen. In Folge dessen gäbe es Ver-
fossungskrisen in den einzelnen Staaten, und es würde dann nach und nach
das Deutsche Reich und der Deutsche Bund in einen solchen Zustand der
Zerrüttung heruntergedrückt werden, daß das in der That doch für uusere
guten Nachbarn vielleicht einigen Reiz bieten dürfte, ihre nicht allzubedenk-
liche Hand in unsere inneren Angelegenheiten hineinzustecken — (Beisall)
und mit einem Erfolg, den wir im Lause der Deutschen Geschichte zu oft
erlebt haben, als daß wir ihn nicht gründlich zu verhliten suchen sollten.
Wenn nun aber die Regierungen nicht so loyal sein sollten und sich durch
die bestehenden Verträge nicht gebunden glaubten, was gäbe es dann? Ich
muß gestehen, daß ich für meine Person unfähig wäre, das Chaos, das dann
entstehen würde, auch nur zu denken, geschweige denn zu schildern. Meine
Herren, thun wir alle Illusionen bei Seite! (Bravol) Ich freue mich,
daß Sie damit einverstanden sind. (Große Heiterkeit.) Ich hoffe, Sie
werden auch die praktischen Anwendungen davon machen. Die Einheit wird
nicht ohne Opser errungen, und um sie zu gründen, durchzuf#hren und zu
erhalten, dazu gehört eine Militärmacht, und die Militärmacht kostet Geld.
(Sehr richtig!) Wir wollen uns darin, wie ich auch bereits in der General=
debatte Über den ganzen Versassungsentwurf bemerkt habe, die Verhältnisse
in Jlalien zur Warnung dienen lassen. Italien hat mit anerkennenswerther
nationaler Energie das Einheitswerk angestrebt, allein es hat nicht genug im
Voraus militärisch und sinanziell gerechnet. Es hat die Verzeichnung und
Amortisation der Kosten der Constituirung der Einheit zu lange verschoben
und befindet sich nun in Folge dessen in sehr verhängnißvollen Verlegenheiten.
Wir wollen einen anderrn Weg gehen, wir wollen im Voraus wissen, was
wir nöthig haben an Militär= und Finanzkrast und das, was wir nöthig
haben, sestsetzen, damit jeder Staat und jeder Privatmann sein Budgek für
dle nächste Zukunft danach einrichten kann. Wenn wir vor wenigen Tagen
der Bundesgewalt zugerusen haben: „Schütze unsere Grenzen, lasse keinen
Flecken kommen aus den mekellosen Schild Preußischer und Deutscher Ehre,
gieb keinen Fußbreit Deutscher Erde auf!“ so mag ich es nicht wagen, daß
mir heute dieselbe Bundesgewalt erwidern kann: Du hast das zwar von nmir
gesordert, aber in dem Augenblicke, wo ich Deiner Forderung nachkommen
wollte, da hast Du selbst mir das Schwert aus der Haud geschlagen und
mich dem Spotte meiner Feinde preisgegeben! (vebhaftes Bravo! Wider-
spruch links, wiederholtes lebhaftes Brovol)