Artikel 61. Wigard. 393
selbst zugeben mußte, daß man den großen Umfang der Preußischen Militair-
gesetzgebung zu kennen gar nicht im Stande sei. Es ist zwar von anderer
Seite gesagt worden, daß nicht Alles solle eingeführt werden, sondern nur
das Brauchbare. Wenn dem so ist und sich hiernach ein geringerer Umfang
der Gesetze ergiebt, so liegt auch die Anforderung um so näher, daß man
durch eine besonderr Vorlage den Reichstag in die Möglichkeit versetze, we-
nigstens eine Einsicht in diese Gesetzgebung nehmen zu können. Abgesehen
davon, halte ich jedoch, meine Herren, an und für sich diesen Artikel
nicht einmal für so nothwendig, als man behauptet, aus dem
Grunde, weil das Heer sowohl in Preußen als auch in den übri-
gen verbündeten Staaten bereits organisirt ist und auf Grund
der abgeschlossenen Verträge die Reorganisirung auch ohne diesen Artikel vor-
wärts geht, und weil kaum ein anderer Theil der Gesetzgebung in allen
Staaten so ausführlich behandelt und durchgeführt ist, als die Militairgesetz=
gebung. Wenn aber gesagt worden ist, daß es sich nur um einen Theil der
Bevölkerung, nur um das Militair selbst handle, meine Herren, so ist das
vollständig unrichtig. Die ganze Bevölkerung der verbündeten Staaten ist
damit getroffen. Ich erinnere Sie dabei nur zum Beispiel an die Natural-
leistungen, welche im Kriege wie auch bei Cantonnirungen von der Beölke-
rung getragen werden müssen. Das ist doch wohl ein allgemeineres Inter-
esse. Meine Herren, es ist nun namentlich mir gegenüber hier eine Aeuße-
rung gefallen, welche ich auf das Entschiedenste zurlickweisen muß. Ich räume
keinem Mitgliede des Reichstagee das Recht ein, Ansichten, grundsätzliche
Anschauungen, kurz Motive einem andern Mitgliede unterzuschieben, als dieses
selbst ausspricht. Bereits im Aufange unseres Zusammenseins habe ich aus-
drücklich erklärt, daß auch wir auf dieser Seite des Hauses, ebenso wie er,
mit der Absicht hierher gekommen seien, beizutragen, daß Etwas zu Stande
komme, und daß wir dazu mithelfen wollten; aber, meine Herren, allerdings
mit dem Unterschiede, dab ich nicht durch Dick und Dünn mitgehe, mit dem
Unterschiede ferner, daß ich auch für das Volk Etwas aus unserer gemein-
samen Berathung mit nach Hause bringen will. Nur mit solchem Vorsatze
bin ich und sind meine Freunde hierhergekommen, daß zugleich die Freiheiten
des Volkes in diesem Verfassungsentwurfe gewahrt werden. Meine Herren,
sehen Sie auf unsern Weg zurück, den wir bis hierher zurückgelegt haben,
und sehen Sie einmal nach, wie wenig in diesem Bereiche uns geboten wor-
den ist, und sehen Sie dabei gleichzeitig zurück auf die Haltung dieser Seite
des Hauses (links)) Erinnern Sie sich daran, daß wir, wenn unserr An-
träge abgeworfen wurden, dennoch auch für andere Auträge gestimmt haben
und hierin bis an die Grenzen der Möglichkeit gegangen sind, und zwar
haben wir dies aus dem Grunde gethan, um ein Etwas möglich zu machen,
wotzdem dah unsere Wünsche und Forderungen nicht erfüllt werden. Meine
Herrrn, nach diesen Thatsachen, die Ihnen Allen vorliegen, schleudert man
eine solche Verdächtigung in die Mitte dieses Hauses! (Ruf: Zur Sachel)