Artitel 62. Wagener. 399
ale die Herren, die ich die Ehre habe, mir gegenlüber zu sehen. Ich werde
mit der politischen Beleuchtung, meine Herren, nicht welter greifen, als
mir der Gegenstand unserer Erörterungen gestattet, d. h. ich werde mich be-
schränken, lediglich und allein von der Deutschen Einheitsfrage zu sprechen.
Meine Herren! Ich werfe die Frage auf: Wer hat uns denn die Deutsche
Einheit gebracht? Worin besteht sie zur Zeit? Und worin haben wir die
Garamie, das zu erhalten, was wir gewonnen haben? Meine Herren! Ge-
bracht hat uns die Deutsche Einheit nicht ein Parlament, sondern lediglich
und allein dle Preußische Armee; das Parlament hat zu verhindern gesucht,
was in seinen Kräften stand, daß wir zu dieser Einheit gelangten. (OhI Ohl
links. Sehr richtig! rechts.) Meine Herren! Worin besteht die Deutsche
Einheit, wie wir sie haben? Haben Sie nicht mit der Bezeichnung dieses
Abschnitts als des Hauptabschnittes der gegenwärtigen Verfassungsurkunde
selbst das Zugeständniß ausgesprochen, daß die Deutsche Einheit zur Zeit
hauptsächlich in der Einheit der Deutschen Armern zu suchen und zu finden
ist? Und glauben Sie, meline Herren, daß Sie diese Einheit der Deutschen
Armeen in Frage stellen oder ins Freie fallen lassen können, ohne gleichzeitig
in demselben Maße und in denselben Schranken die Einheit Deutschlands
selbst wiederum in Frage zu stellen? (Sehr richtig! rechts.) Glauben Sie
nicht, daß, wenn Sie die Einheit der Deutschen Armeen auf drei Jahre be-
schränken, Sie damit von selbst auch die Dauer des Norddeutschen Bundes
auf dieselbe Zeitdauer beschränkt haben? (Nein! nein! links.) Melne Herren!
Sie haben uns ja wohl gesagt: Doas ist so schlimm nicht gemeint, wie es
klingt; wir wollen allerdings in der Verfassungsurkunde aussprechen, daß die
Einheit der Norddeutschen Armeen und ihrer Organisation mit dem 31. De-
cember 1871 ihre Endschaft erreichen foll, aber — haben Sie hinzugefügt —
es wird ja niemals ein Deutscher Reichstag wagen dürfen, diese Organi-
satlon auch hinter dieser Zeit wiederum in Frage zu stellen. Meine Herren!
Wenn Sie das nicht wagen wollen und nicht wagen dürfen, warum stimmen
Sie denn nicht für unsere Anträge, die weiter nichts beabsichtigen, als dies
in dürren und klaren Worten auszusprechen. (Sehr richtig! rechts.) Und,
meine Herren, haben Sie denn so ganz die Geschichte und Erfahrun-
gen unseres Preußischen Militairconflicts vergessen? Wissen Slie
in der That nicht, was die aufgeregten Leidenschaften wagen und was sie
unteruehmen? Und sind Sie Ihrerseits zweifelhaft, daßb, wenn es damals
formell gegangen wäre und materiell eine Aussicht gehabt hätte, wir Zeiten
hatten, wo wir sehr dicht an der äußersten Grenze der Steuerverweigerung
ms bewegten? Meine Herren, an diese Grenze kommen wir mit der An-
nahme der Forckenbeck' schen Anträge an (Sehr richtig! rechts), und wir kom-
men da an ohne die Garantien, die uns die Preußische Verfassungsurkunde
bietet. Ich will dabei nur ein vorübergehendes und adminiculirendes Ge-
wicht darauf legen, daß es allen verfassungsmäßigen Anschauungen und allen
Grundsätzen des Verfassungsrechts widerspricht, daß es ganz etwas Unerhör-