Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Arnkel 62. Bincke-H. 419 
haben ihn gewiß sehr freudig und dankbar in unsere Reihen ausgenommen, 
— so glaube ich, erinnert er sich daran, daß der Conflict wahrhaftig nicht 
die Ursache gewesen ist, daß er Preuße geworden ist, sondern im Gegeutheil. 
(Giiterkeit.) Also insofern, glaube ich, dürfte er sich dabei beruhigen. Er 
hat uns gesagt, wenn Kinder sich die Finger verbrennten, dann würden sie 
llug darnach. Ob ihm seine jetzigen Parteigenossen aus dem Preußischen Ab- 
geordnetenhause für die Parallele mit den Kindern sehr dankbar sind, das 
will ich nicht weiter untersuchen, das ist nicht meines Amtes, da ich nicht 
die Ehre habe, jenen Reihen anzugehören. Aber ich glaube, wenn er ohne 
Weiteres glaubt, daß im Laufe der Geschichte alle Kinder sich in Männer 
verwandeln, gewissermaßen wie mit einem Zauberschlage, ohne selbst erst ein 
Jahr darüber hingehen zu lassen, so ist das, glaube ich, doch eine zu sangul- 
nische Betrachtung. Wenn er meinte, in der Geschichte kämen Fälle solcher 
Art nicht zweimal vor, so will ich ihn nicht auf Deutschland verweisen, 
weil ich es nicht liebe, auf wunde Stellen in Deutschland Bezug zu nehmen. 
Aber, meine Herren, der Herr Abgeordnete mag sich jenseits des Rheins nach 
Frankreich bemühen, er hat dort 1830 einen Conflict, den damals die Bour- 
bonen mit dem Französischen Volke gehabt haben, er hat im Jahre 1848 
wieder einen ähnlichen Conflict, den die traurigen Nachsolger der Bourbonen, 
die Orleans, wieder mit dem Französischen Volke gehabt haben. Glaubt er 
denn, daß die Orleans aus dem Beispiele der Bourbonen etwas gelernt hatten, 
und daß das Französische Volk etwas aus diesen beiden Conflicten gelernt 
hatte? Ich glaube nicht, daß das Französische Volk seiner Meinung bei- 
pflichtem wird, welches jetzt unter dem eisernen Scepter Napoleons III. seufzt. 
Ich glaube, daß cs noch weniger dieses eiserne Scepter küssen wird, als es 
die Ruthe geküßt hat, welche die Orleans und die Bourbonen über dasselbe 
geschwungen haben. Diese Beispiele mögen genügen, um zu beweisen, daß 
die Erfahrungen in der Geschichte häufig vergeblich gemacht, daß Erfah- 
rungen von der linken wie von der rechten Seite vergeblich gemacht werden, 
und daß man uns daher nicht darauf vertrösten darf. Ich wlßte in der 
That nicht, was überhaupt hier so besonders Gefährliches bei der Sache 
wäre. Es handelt sich, wie wir gesehen haben, um eine Ziffer von 10- bis 
20,000 Mann, um welche die gegenwärtige Wehrkraft des ganzen Norddeut- 
schen Bundes erhöht werden soll. Was speciell Preußen betrifft, so haben 
wir schon gehört, daß für die altpreußischen Provinzen die Armee, die Preußen 
bisher gestellt hat, wie Jeder sich nachrechnen kann, nach der Vorlage um 
etwa 14,000 Mann vermindert wird. Nach der bei der letzten Volkszählung 
vorchandenen Einwohnerzahl von 19,300,000, würde die Friedensstärke der 
Armee 193,000 betragen, während die jetzige Ziffer 207,000 ist. Es ist 
keine Steigerung, sondern nur eine Consolidirung der jetzt bestehenden 
Verhältnisse. Um ein Geringes vermehrt werden nur die Armeen der an- 
deren deutschen Kleinstaaten, die bisher in der angenehmen Lage sich befun- 
den haben, daß Preußen die Vertheidigung von Deutschland und ihre eigene 
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