Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

424 Bundeskriegswesen. 
wird uns Alle zu den Männern rechnen, und dann wollen wir aus dem 
Conflicte der letzten Jahre wenigstens das entnehmen, daß man nicht mit 
der Existenz des Landes ein Spiel treiben darf. Ich melne Uberhaupt, wenn 
ich ein besonderes Vertrauen zu dieser Versammlung — das soll keine cap- 
tatio benevolentiae sein — habe, so beruht sie besonders auf unsern neuen 
Preußischen Landsleuten. Ich meine gerade, daß der Herr Abgeordnete für 
Harburg, der sich zu unserer Ehre freute Preuße geworden zu sein, und der 
nicht geneigt ist, den Conflict weiter zu treiben, und sich weiter darin zu 
vertiefen, in dieser Beziehung unser Bundesgenosse sein, und mit uns dahin 
wirken sollte, daß diese traurigen Zeiten nicht wiederkehren; denn daß sie 
dann größere Dimensionen annehmen würden, wie im vorigen Jahre, das 
liegt einfach in dem Verhältniß von 19 Millionen zu 30 Millionen, und in 
der Stellung, die wir jetzt gewonnen haben zu der, die wir, Gott Lob! auf- 
gegeben haben. Gestern hat uns der Herr Abgeordnete für Wolmlrstedt ge- 
sagt, die einmüthigen Anstrengungen der Nation hätten diesen Standpunkt 
in Europa erobert; der Herr Abgeordnete für Crossen trug gegenüber dieser 
angeblichen Einmüthigkeit vorhin einige Zweifel vor, und dieser Zweifel 
wurde von einem großen Theile der Versammlung, namentlich uns gegen- 
Über, die wir diesen Zweifel theilten, mit einem gewissen Hohngelächter be- 
gleitet. Ja, meine Herren, ich könnte Ihnen — ich habe es leider auf 
melnem Platze vergessen, wenn vielleicht einer von den Herren mir das blaue 
Actenstück geben wollte — (Ein Abgeordneter Uberbringt ein Schriftstück) — 
nein, das andere — (Heiterkeit) — ich werde nun im Stande sein, Sie so- 
fort zu widerlegen. Ich meine, wir haben aus der allerletzten Zeit den un- 
widerleglichsten Beweis von dem Gegentheil. Die Herren werden wissen, 
daß das Preußische Volk in seiner Mehrzahl immer zur Regierung gestanden 
hat, und daß namentlich mit dem entschiedenen Willen des Preußischen Volkes 
dlese Siege des vorigen Jahres erfochten sind, wird gewiß Niemand bezwei- 
feln, der mit Aufmerksamkeit den Thaten unserer Armee gefolgt ist, am aller- 
wenigsten ihre tapferen Flhrer, die ich die Ehre habe, hier vor mir zu sehen. 
Das Preußische Volk hat auch im Jahre 1848, als die Nationalversammlung 
die Steuern zu verweigern unternahm, zur Regierung gestanden, und hat 
auch von Neuem, im Jahre 1866, die Regierung unterstützt. Aber zum 
Preußischen Volke werden doch auch die Mitglieder der Fortschrittspartei zu 
rechnen sein, die sich doch immer rlühmen, die Gedanken des Volkes am Besten 
zu verstehen, und dem Volke am nächsten zu stehen. Wollten etwa diese 
Herren, die jetzt, Gott sei Dank! zum großen Theile ihre Ansichten geändert 
haben, behaupten, daß sie vor dem Krlege dieselbe Ansicht gehabt haben? 
Zur Beschämung derjenigen Herren, die vorher zu so großer Heiterkeit über- 
gegangen sind, will ich mir erlauben, das damalige Wahlprogramm der Fort- 
schrittspartei in seinem ersten Theile zu verlesen. Sie werden sich überzeugen, 
daß das, was damals vor dem Kriege die Fortschrittspartei aufgestellt hat, 
(Stimmen links: Zur Sache! Unruhe) — Ja wohl zur Sache, ich rede recht
	        
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