Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

430 Bundeskriegewesen. 
das Ordinarium nicht ausreicht; man wird anfangen, das ganze Ordi- 
narium auf das genaueste zu kritisiren, was zu unangenchmen und fatalen 
Discussionen führen wird, und man wird eine Fixirung des Ordina- 
riums leicht erzwingen können, und dazu vielleicht geneigt sein, sie zu er- 
zwingen dadurch, daß man in übermäßiger Weise die extraordinären Forde- 
rungen beschränkt oder ablehnt. Meine Herren! Wir in Hannover haben 
diese Ersahrungen gemacht. Die Stände und die Regierung hatten sich auf 
ewige Zelten, wenigstens auf sehr lange Jahre hin, geeinigt zu einem solchen 
Pauschquantum. Nachdem aber der schlechten Verwaltung wegen zu befürchtem 
war, daß die Armee in Folge dessen in Verfall geriethe, lag es in der Hand 
der Stände, durch die Ablehnung der extraordinären Anforderungen den Ver- 
trag wieder zu beseitigen und die Regierung zu zwingen, zum vollen Budget- 
recht zurückzukehren. Ganz dasselbe wlirde jederzeit hier eintreten. Nun mag 
es möglich sein, in einem kleinen Staate Uberall das Ordinarium von dem 
Extraordinarium zu trennen; hier in einem großen Staate wird diese an sich 
principiell unmögliche Trennung auch factisch zur Unmöglichkeit. Es werden 
hier täglich so unübersehbare Extraordinarien an uns kommen, daß die Frage 
nach dem fixirten Ordinarium und der Grenzscheide zwischen diesem und dem 
Extraordinartum ganz verwischt werden wird. Wir werden also nach und 
nach doch zu einem vollständigen Bewilligungsrechte gelangen, nur in einer 
verbitterten Weise, während man sonst, bin ich Überzeugt, Seitens des Deut- 
schen Parlaments, namentlich so lange irgend eine Gefahr nach außen da 
ist, das größte Entgegenkommen gegen die Armee finden wird. Meine Her- 
ren, es liegt mir nun noch ob, Ihnen in der Kürze darzuthun, daß man 
nicht verzichten kann Seitens einer parlamentarischen Regierung auf einen 
Haupttheil des Budgetrechts ohne auf das ganze zu verzichten. Eine Volks- 
vertretung, welche das Bewilligung srecht auslbt, ist nicht blos der Ventilator 
zwischen Bedarf und Befriedigung, zwischen Anforderung und Leistung be- 
züglich eines oder des andern getrennten Verwaltungszweigs, sondern ihre 
Hauptausgabe besteht in der Vermittelung der Bedürfnisse der verschiedenen 
Verwaltungszweige. Wie eine Volksvertretung heute in der Lage sein wird, 
so wird sie morgen genöthigt sein, weniger für diesen oder den andern Ver- 
waltungszweig in Ansatz zu bringen, je nachdem das Bedürfniß bei dem einen 
größer, und je nachdem die Veistungsfähigkeit auf der andern Seite ge- 
ringer ist. Es ist also klar, daß dies die Hauptausgabe der Volkevertrekung 
ist, gernde gegenüber der Technik in der Verwaltung und den nothwendig ein- 
seitig technischen Anforderungen eines Verwaltungszweigs die richtige Mitte 
zu halten, nach allen Seiten das richtige Gleichgewicht herzustellen. Es ist 
klar, daß durch die Fixirung und Beseitigung des Budgetrechts nach einem 
großen Verwaltungszweig hin diese Aufgabe dauernd unmöglich wird. Wir 
können daher, ohne die ganze parlamentarische und coustitutionelle Entwicke- 
lung dauernd zu gefährden, auf die Dauer nicht auf das Budgetrecht bezüg- 
lich der Armer verzichten. Man weist uns immer darauf hin und in ge-
	        
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