Artikel 20. 21. Grumbrecht. 35
r Beamten in diesem Satze vorzunehmen, und damit haben Sie gehandelt
und handeln Sie wie ein schlechter Arzt, der anftatt die Krankheit zu cu-
riren, das Symptom ckrrirt, denn, meine Herren, verhehlen Sie sich nicht,
das unnatürliche Verhälimiß, daß der Widerstand gegen die Regierungege-
walt hier von den Staatsbeamten hauptsächlich getragen ist, war nur die
Folge einer Krankheit des iuneren Staatslebens, lediglich die Folge; statt
mm diese Krankhelt zu beseitigen, wie ja verfucht und mit Erfolg geschehen
ist, will man das Symptom, den Ersolg curiren. Das nenne ich die
Beamten mit Gewalt in die Opposition treiben. Das ist ein politisches
Verfahren, das Niemand billigen lann. Möge es aber auch fein wie es
wolle, ich bin Überzeugt, daß nicht allein dies unnatürliche Verhältniß zu
dieser Bestimmung Veranlassung gegeben hat, sondern auch ein fehr natür-
liches Gesühl, ich melne das natürliche Gefühl der Eupfindlichkeit eines
Chess, wenn feine Unterbeamten sich gegen ihn auflehnen. Dieses Gefühl
ist voll'ständig natlirlich und erklärlich und auch in gewisser Weise begründet.
Ich eoinnere mich aus meinem früheren parlamentarischen Leben noch fehr
gut, daß Einer unserer srüheren Minifter, einer der begabtesten Männer in
der jetzigen Provinz Hannover, Stüve, ledesmal in der Kammer,
venn einer feiner Beamten, und war es fein genauester Freund,
sich gegen ihn auflehnte, in einen Ton verfiel, den er sonst gegen
uns unabhängige Opponenten gar nicht kannte. Das ist ganz erklär-
lich, aber sch halte doch dafür, daß man nicht gut thut, sich von
solchen besonderen Verhältnissen, von folchen Empfiudungen
leiten zu lafsen und damit geradezu die öffentliche Meinung
ins Geficht zu schlagen, die für die Wählbarkeit der Beamten fo ent-
schieden ist, daß ich glaube, auch in diesem Hause wird die Streichung des
letzten Satzes, die wir beantragt haben, eine große Majorität finden. Ja,
meine Herren, die ösfentliche Mein ung soll nach der einen Ansicht eine
Großmacht fein, Herr Wagener aus Neustettin hat uns freilich neulich
deren geringe Bedeutung zu deduciren gefucht, indem er auf die einzelnen
Factoren, welche die öffentliche Meinung bilden, zurückglng. Ja, nimmt
man alle Träger der öffentlichen Meinung zufammen, berücksichtigt man jeden
Einzelnen, nun so wird man aber finden, daß hinter der öffentlichen
Meinung nicht viel eigen tliche Vernunft fein könne. Indessen
trotzdem ist die öffentliche Meinung etwas Erhebliches, fogar fehr
Wichtiges, felbst wenn sie unverftändig wäre. Ein Politiker, der ver-
nünftig handelt, wird eben so diese unverständige öffentliche
Meinung, wenn er sie auch nicht theilt, berücksichtigen, ja oft ift er
genöthigt, Vorurtheile zu berücksichtigen, weun er fie auch nicht im
Entserntesten theilt, und fo bin ich der Ansicht, dah man vom politifchen
Standpunkte aus Unrecht hat, wenn man das Gewicht der öffent-
lichen Meinung zu verkleinern fucht. Aber ich glaube, auch in
die sem Falle ist die öffentliche Melnung keineswegs eine unver-
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