Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

36 Reichskeg. 
ständige. Ich behaupte, daß in der That ein öffentliches Leben zur 
Zeit nicht möglich sein wird, ohne daß wir in unseren Vertretungen 
Beamte haben. Wenn wir ein halbes Jahrhundert oder viel- 
leicht ein Jahrhundert ein öffentliches Leben gehabt hätten, wenn 
elue große Klasse derjenigen Staatsbürger, die sich bisher ganz 
vom öffeutlichen Leben fern gehalten haben und eine vollständig unabhänglge 
Stellung haben, wenn die erst wie in England und in anderen Staa- 
ten den Beruf in sich fühlten, sich in dieser Weise am öffentlichen Leben 
zu betheiligen, dann, wenn sie auch die Fähigkeit dazu erlangt hätten, dann, 
meine Herren, möchte das gehen, aber in diesem Augenblick sind wir 
dazu nicht im Stande und ich glaube, wir han delu sowohl im Inter- 
esse der Vertretungen als im Interesse der Regierungen, wenn 
wir dieses dem natürlichen Verhältniß nach vermittelnde Ele- 
ment der Vertretungen, ich meine die Beamten nicht ausschließen. Es 
mag selin, meine Herren, daß Vieles in dieser Verfassung steht, was Wenl- 
gen oder Manchen nicht gefällt. Der Herr Prüsident der Bundescommissare 
hat uns mit Recht gesagt, wir sollten uns unsererseits hüten, in die Ver- 
fassung Bestimmungen hineiuzubringen, die die Annahme von Seiten der 
auderen Bundesregierungen und namentlich der Preußischen erschweren, dies 
ist ein Rath, den ich als vollkommen begründet anerkenne. Meine Herren, 
auf der auderen Seite haben wir, glaube ich, aber auch Ursache, dem Ver- 
fassungsentwurf, der an sich einen ziemlich reactionaoiren Stempel an der 
Stirn trägt, diesem Versassungsentwurf Verbesserungen hinzuzufügen, die 
ihm die Zustimmung der Mehrheit des Reichstages und der Mehrheit der 
Bevölkerung verschaffen. Meine Herren, es ist möglich, daß Sie diesen 
Verfassungsentwurf fast unveräudert durch eine geringe Mehrheit durchsetzen 
könnten, aber bedenken Sie wohl, daß je mehr Mängel Sie darin stehen 
lassen, ie mehr Verbesserungen, die gewünscht werden, Sie ablehnen, 
auch hler im Reichstag die Zahl derer, die am Schluß sich in 
ihrem Gewissen gedrungen fühlen könuten, nein zu sagen, sich 
vermehrt, (VBewegung, Ruf: Hört, hört!) und so bitte ich Sie, meine 
Herren, von allen Seiten, das Werk nicht dadurch zu gesährden, daß Sie 
Bestimmungen in dem Entwurf lassen, die so entschieden nachtheilig wirken, 
die verurtheilt sind in der öffentlichen Meinung, und ich bitte Sie ferner, 
die Verbesserungen anzunehmen, die in gleicher Weise geeignet sünd, die all- 
gemeine Zustimmung dem Entwurse nicht alleln bei uns, sondern auch bei 
denen, die wir vertreten, bei dei Volke uns zu verschaffen. (Bravol) 
Windthorst.') Meine Herren, der Abgeordnete für Neustektin 
hat es nöthig gesunden, uus au unsere Verantwortlichkeit zu erinnern.“ 
Ich meinerseits sage ihin dafür meinen besonderen Dank, indem er mir 
  
% St. Ber. S. 424.
	        
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