472 Bundesfinanzen.
der Last des Militairbudgets. Meine Herren, können diese Zeiten nicht
wiederkehren? Ich mache Sie aufmerksam darauf, was wohl geschehen kann,
ich sage nicht geschehen wird, wenn einmal zu Neuwahlen geschritten wird
und dieselben vorsichgehen mit der Voraussicht oder Gewißheit, daß das neu
gewählte Haus nur über das Militairbudget endgültig zu beschließen habe
und daß dies einzig nur allein in seine Hand gelegt sei. Meine Herren, ich
glaube, daß ein ganz besonderer und wesentlicher Nachdruck auf den Wahl-
modus zu legen ist, auf Grund dessen der künftige Reichstag zusammen kom-
men wird. Bedenken Sie wohl, meine Herren, daß es gerade jetzt zum
großen Theile, wenn nicht vorzugsweise die weniger befitzenden Klassen find,
welche endgültig über die Wahlen zu entscheiden haben. Wenn das auf der
einen Seite allerdings die Folge haben könnte, daß nun gerade zu erwarten
sei, daß, weil diese Klassen bei den Fragen des Beutels weniger intercssirt sind,
auch eine Versammlung gewählt werden könnte, welche in dieser Beziehung
willfähriger ist, so mache ich doch andrerseits auf den höchst erheblichen Um-
stand aufmerksam, daß mit den Militairausgaben auch die Präsenzstärke des
Heeres, die Dienstzeit und alle diese Fragen Hand in Hand gehen. Es
wiegt aber gerade, während die Geldfrage bei den Massen weniger erheblich
sein mag, die Frage der persönlichen Dienstleistung im stehenden Heere um
so schwerer. Gerade die Massen find es, welche das stehende Heer haupt-
sächlich zu stellen haben und gerade diese werden also auch von der Frage
der Stärke des Heeres und von allen Fragen, welche damit im Zusammen-
hange stehen, ganz unmittelbor berührt. Meine Herren, ich habe das größte
Vertrauen zum Patriotismus des Preußischen und Deutschen Volkes, aber
ich bitte Sie doch zu bedenken, daß nach einem trivialen Sprichwort, wenn
Sie mir erlauben dasselbe anzuführen, es immer heißt: Das Hemd' ist näher
als der Rock, und daß, wenn also die Frage an die Wähler herantritt: sollst
Du, oder sollen Deine Kinder künftighin alle dienen? soll die Aussicht er-
öffnet werden, daß von dreien einer frei bleibt, daß statt dreier Dienstjahre
die Dienstzeit auf zwei Jahre oder auf ein Jahr herabgesetzt wird — ich
sage, meine Herren, wenn die künftigen Wahlprogramme so lauten werden,
so kann dies doch unmöglich des Eindrucks auf die Menge verfehlen und ich
fürchte, trotz allen entgegenstehenden Versicherungen, daß, wenn wir nicht den
Artikeln, welche von der Bundeskriegsverfassung und dem Bundesfinanzwesen
handeln, in dieser Beziehung einen Halt geben, daß die Ausgaben, und wie
ich wiederhole, auch die Friedenspräsenzstärke constant feststehen, alsdann das
künftige Wahlprogramm in dem Sinne lauten wird, wie ich es hier ange-
deutet habe. Ich würde Ihnen also empfehlen, mit den Amendements Miqucl
zugleich das Amendement Bethusy anzunehmen. (Bravo!)
Miguel (Osnabrück).?) Meine Herren! Doas Capitel Über die
Bundesfinanzen leidet meiner Ueberzeugung nach an vier Mängeln,
“) St. Ber. S. 622.