Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

498 Bundesfinanzen. 
können. Da diese Vinculirung, die von uns selbst geforderte Vinculirnug 
des Budgetrechts durch die Zahl der Armee nicht zu Stande kam, so ist das 
Abgeordnetenhaus genöthigt gewesen, von seinem Ausgabebewilligungsrecht 
einen Gebrauch zu machen, den ich im Augenblick nicht versolgen will, (Hei- 
terkeit im Centrum) da er ganz unnöthiger Weise einen Streit über Diuge 
hervorruft, die jetzt eben gesetzlich geordnet werden follen. Allein 
die Frage kullpft sich unabweisbar an den Verlauf unserer letzten Jahrr, 
der wir nicht ausweichen können. Wenn der allerberechtigtste Gebrauch eines 
Ausgabebewilligungsrechts nicht geuligt hat, eine einseitige Erhöhung eimr 
Armee um 60,000 Mann ohne Gesetz jahrelang abzuwehren, sollte ein un- 
berechtigter Gebrauch die Kraft haben, die Regierung zu zwingen, eine 
bestehende Armee um 60,000 Mann zu reduciren, nachdem der Bestand 
dleser Armee einmal legal anerkannt, von einer Volksvertretung in den feier- 
lichsten Formen acceptirt ist? Ich glaube, nein! Und wenn man dieses Nein 
sich bestimmt sagen muß, daun glaube ich, dars man sich auch nicht weigern, 
es in formulirten Erklärungen auszusprechen. (Sehr richtig! Sehr gut! im 
linken Cenrum.) Der Grund aber, warum das bloße Budgetrecht diese 
Zauberkraft nicht hat uüben können, liegt nicht in der Verderblichkeit einer 
Budgekbewilligung überhaupt, sondern darin, weil diese Art der Anwendung 
des Budgetrechts in Widerspruch steht mit der allgemeinen Wehrpflicht, mit 
der Gesaumthelt unserer Heereeinstitutionen. Und, wenn wir diesen Wider- 
spruch anerkennen und diesen Widerspruch heilen, dann erst bringen wir das 
Budgetrecht in die Lage, in der es lebensfähig und wirksam wird. Ich sage, 
meine Herren, wir dürsen kein Budgetrecht beanspruchen zu jenem Zweck, 
mit dem wir in Widerspruch zu unseren Heeresinstitutionen kommen. Ich 
meine das so. Unsere Wehrpflicht belebt und durchzieht alle Nerven und Muskeln 
unferes Staats- und Volkslebens so tief, daß es urwerkräglich ist mit dem 
Absolutismus in jeder Gestalt, auf die Dauer unverträglich mit dem Ab- 
solutismus der Monarchie, auf die Dauer ebenso unverträglich mit dem Ab- 
solutismus von Majoritätsbeschlüssen einer zweiten Kammer, (Bravo! Schr 
richtig! im Centrum) — das Eine aus demselben Grunde wie das Andere. Es 
ist uumbglich, dab in der Zukunft ein absoluter Monarch in Deutschland 
von Jahr zu Jahr dictiren sollte, wie groß die stehende Armee, wie groß 
die Leistungen an Menschen und Geld für die stehende Armee sein sollten. 
Ich bin nie zweifelhaft geweseu, daß es rechtlich und politisch, daß es finanzicll 
und wirthschaftlich ummöglich ist im Wege der Verordnung, von Jahr zu 
Jahr einen Präsenzstand der Armee seststellen zu wollen, und, meine Herre, 
die Königlich Preußische Staatsregicrung verzichtet auf einen solchen Anspruch 
in dieser Verfassungsurkunde unwiderruflich, rückhaltslos und klar. (Sehr richtig! 
im Centrum.) Aus demselben Grunde ist es unaussührbar, daß der Bestand 
der Armee einseitig durch jährlich wechselnde Beschllsse aus der Moajorität 
der zweiten Kammer eines Reichstages sestgestellt werden sollte. Denn, ich 
wiederhole es, auch dies ist ein Absolutismus, (Sehr wahr!!) ein Absolutis-
	        
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