Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 60—73. Gneift. 503 
Sodann, meine Herren, gehe ich noch weiter, ich bechaupte der Plan der 
Panschquanta für die Kriegsverwaltung ist unvereinbar mit der Stellung 
eines Ministerraths im heutigen Staate. Der Minister, dem man diese 
Stellung giebt, mag Kriegsminister heißen, er ist aber nicht mehr College 
seiner Collegen, nicht mmehr Staatsminister auf einer Linie mit den Ubrigen. 
Es ist zwar unzweifelhast, daß, auch wenn diese Maßirgel angenommen wird, 
immer noch eine „Correspondenz“ stattfinden würde zwischen dem Kriegs- 
minister und dem Finanzminister und den Übrigen Collegen. Allein, von 
dem Augenblicke an, wo solche exorbitante Einrichtungen getroffen werden, 
verliert diese Correspondenz jeden Erfolg, weil kein Zwang mehr besteht für 
den Kriegsminister, sich zu vereinbaren mit dem Finanzminister, wenn weder 
ein politischer noch ein moralischer Zwang besteht, das im Ministerrathe ver- 
einbarte Budget gemeinsam und solidarisch zu vertreten und zu vertheidigen 
gegen öffentliche Prlifung und gegen die ost wohl begründeten Einwürfe einer 
Volksvertretung. Wenn diese Solidarität der Minister aufhört, so ist diese 
sogenannte Correspondenz über die Aufstellung des Etats (der natürlich for- 
mell in vollster Ordnung ist, aber vom Kriegsminister allein ausgeht), in- 
haltlos und ohne Erfolg. Ich kann nur sagen, ein Kriegsminister in dieser 
neuen, uns bisher unbekannten Stellung, der nicht blos Über zwöls Jahr- 
gänge der wehrfähigen Jugend disponiren soll, der alle Gesetze, die sich dar- 
auf beziehen, ohne jede Controle auslegt und anwendet, und der nun noch 
ein Budget von 70 Millionen hinzubekommt, welches er allein aufstellt, allein 
in seiner Ausführung dirigirt, — ein folcher Beamter ist kein Staatsminister 
mehr, sondern ein Beamter anderer Ordnung. Nun wird man dagegen zwar 
sagen: ein Kriegsminister handelt ja immer als der persönliche Diener seines 
Königs. Ja, mit Verlaub, das ist der Fall bei allen Ministern, auch bei 
den versassungsmäßig gestellten Ministern. Die Wahrheit aber, die Jeder- 
mann weiß, ist die, daß bei einer Verwaltung, die Über einen Ausgabretat 
von 65—70 Millionen disponirt, in neunundneunzig Fällen nicht der Aller- 
höchste Herr, sondern der Diener selbstständig verfügt, und daß auch in dem 
hunderksten Falle der Allerhöchste Kriegsherr doch nur auf den Vortrag, auf 
den Bericht des einen Verwaltungschess entscheidet, nicht aber die Maß- 
regeln im Zusammenhange im Ministerrathe erwogen und, von der finanziellen 
Seite aus, solidarisch zur Genehmigung des Allerhöchsten Herrn gebracht wer- 
den. Das ist der Grund, der es meines Erachtens unvereinbar macht, den 
Staat in zwei Hälften zu theilen: die eine ordnungsmäßig mit einem soli- 
darischen Ministerrath zu verwalten, und die andere Hälfte in die Gestalt 
einer Cabinetsregierung zu bringen. Ich will nicht wach rufen die nicht an- 
genehmen Erinnerungen Preußens an die Cabinetsregierung, die stets fremd- 
artigen Einflüssen ausgesetzt ist. Ich kann aber das sagen: dieser Ausnahme- 
stellung eines Cabinetsministers noch cinen Finanzetat von 70 Millionen hin- 
zuzufügen, das geht noch hinaus über die früheren Bedenken einer solchen 
Isolirten Stellung der Departrmentschefe; das bedeutet eine losgerissene De-
	        
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