Artikel 69. Lasker. 535
aus nothwendig, daß der Act der Ausgabebewilligung voraus-
geht, ehe vom Ausschreiben der Einnahmen die Rede sein kann, und es
liegt in der Bewilligung der Ausgaben zugleich die Bewilli-
gung der Einnahmen. Mehr will das Amendement Migquel
nicht, es versucht nur vernlnstig und verständig auszudrlicken, was in dem
Verfassungsentwurf enthalten ist. Die hauptsächlichste Verbesserung
des Amendements besteht darin: Eine weitere Bestimmung des Ver-
fassungsentwurfs besagt, daß das Präsidium nach Bedarf die Einnahmen
ausschreiben soll, es würde also während der Ausgabebewilligung noch nicht
festftehen, wiediel das Präsidium in dem betreffenden Jahre aueschreiben
würde; durch das Amendement soll das Präsidium gebunden werden, die
ausgeschriebenen Einnahmen einzuziehen, und wenn ein Ueberschuß sich er-
giebt, diesen Ueberschuß in einem späteren Jahre dann in den neuen Etat
hinein übertragen zu lassen. Weun also der Verfassungsentwurf nicht die
Meinung hat, welche mit den Worten gar nicht verbunden werden kann, daß
das Präsidium berechtigt sel, eine bestimmte Smume — ich sehe von dem
Militairetat ab — ein für alle Mal und nicht bedingt durch die Aus-
gabebewilligung von den einzelnen Regierungen einzuziehen, so liegt in der
Verfassung bereits das Einnahmebewilligungsrecht ausgedrückt, und ich ver-
stehe nicht, wie der Preußische Herr Finanzminister hat ausführen können,
daß ein neues Einnahmebewilligungsrecht in Anspruch genommen werde.
Scheint ihm ein derartiges Einnahmebewilligungsrecht, wir es in der Aus-
gabebewilligung liegt, nicht vereinbar mit einem geordneten Finanzustande,
nicht vereinbar mit der Macht des Präsidiums, dann haben uns die Landes-
regierungen eine im Sinne des Preußischen Finanzministers unannehmbare
Verfassung vorgelegt. Denn ich weiß wirklich nicht, wie der Preußische Herr
Finanzminister mit dem Ausgabebewilligungsrecht des Verfassungsentwurfs
sich befriedigen soll, wenn er meint, daß das Präsidium die Einnahmen un-
abhänglg von dem Willen und der Bewilligung des Parlamentes müsse ein-
ziehen dürfen, da ja auch nach dem Entwurf das Votum der Ausgabebe-
willigung dem Ausschreiben der Beiträge vorangehen muß. Meine Herren,
heute hat der Herr Finanzminister sehr viele Fragen aufgewor-
fen, mehr Fragen als ich und viele melner politischen Freunde
zu beantworten im Stande find. Er hat namentlich gefragt: Was
soll daraus werden, wenn in einem Jahre das Etatgesetz nicht zu Stande
kömmt? Ich erinnere mich, in wissenschaftlichen Abhandlungen
die Ueberschrift gefunden zu haben: Was geschieht, wenn in einem
Jahre das Etatsgesetz nicht zu Stande kommt? Daß aber eine solche
Fürsorge zum Gegenstande einer ausdrücklichen Bestimmung in
einem Verfassungsentwurf gemacht werden könnte, ist mir bisher
fremd gewesen. Es gäbe auf diese Frage nur die einzige befrie-
digende Antwort, welche das Bewilligungsrecht dahin definirte: Die Volks=
vertretung hat jährlich die Einnahmen und Ausgaben zu bewilligen; thut