Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artitel 68. Deydt. 537 
Reglerung, die jetzt als Bundescommissare fungiren, an une die Anforderung 
gestellt wird, dab wir die verfassungsmähigen Befugnisse des Preußischen 
Landtages für Norddeutschland außer Kraft setzen sollen in allen denjenigen 
Fällen, wo die Regierung einmal in der Verwaltung des Preußischen Staates 
Schwlerigkelt gefunden hat. Die Schwierigkelten hatten dort aber ihren Ur- 
sprung darin, daß das Gesetz von Seiten der Reglerung gebrochen wurde, 
und dazu sind die Befugnisse einer Landesvertretung augethan, daß sie mit 
den ihr zu Gebot gestellten Mitteln dem Bruch des Gesetzes entgegentrete. 
Eine weitere Froge ist, ob der Verlauf der Berhandlungen und des Con- 
flictes, wie er in Preußen stattgefunden, glücklich gewesen ist oder nicht. Wir 
konnten ebenso gut die Frage aufwersen, ob die verfassungsmäßigen Befug- 
nisse, wie sie uns durch die Preußische Verfassung eingerdumt sind, ausge- 
reicht haben, um den Widerstand zu leisten, der von einer Volksvertretung 
gegen die Ueberschreitung von Gesetzen geleistet werden soll, ob nicht bei er- 
weiterten Rechten die Regierung von vorn herein die Nothwendigkeit empfun- 
den hätte, mit uns einen Ausglelch herbeizuführen auf die billigen Bedingun- 
gen hin, welche oft genug der Regierung angeboten worden sind. Aber wir 
sind weit entfernt davon, in diesem Reichstag eine Vermehrung unserer ver- 
fassungsmähigen Befugnisse zu suchen; wir glauben nicht, daß die Zeit 
dazu angethan ist, von unserer Selte zu fordern, daß nunmehr größere 
Rechte uns eingeräumt werden, damit wir gegen eine mögliche Wiederkehr 
von Ungesetzlichkeit wirksameren Widerstand leisten und demnach einen billigen 
Ausgleich erzwingen. Aber wir wünschen auch nicht, daß unter dem Namen 
des Norddeutschen Bundes diesem Parlamente Concessionen abgefordert wer- 
den, welche den Kern des verfassungsmäbßigen Rechtes in Frage stellen. Es 
ist ungerechtfertigt, aus dem vergangenen Streit, der aus der Ungesetzlichkelt 
der Verwaltung entsprungen war, die Forderung herzuleiten, dab wir nun- 
mehr die Befugnisse der Landesvertretung aufgeben sollen. Solches aber 
wärde uns zugemuthet werden, wenn wir die Fragen des Finanzministers 
correct beantworten, daß die Regierung, wenn ein Etat nicht zu Stande 
kommt, ohne Etat regieren dürfe, nach ihrem Belieben oder nach Grundsätzen, 
welche sie im Wege der Verwaltung feststellt. (Bravo!) 
Bundescommissar Finanzminister von der Heydt.") Ich scheine von 
dem letzten Herrn Redner nicht verstanden zu sein: Ich habe nicht 
an das Hohe Haus die Frage gerichtet, was geschehen solle, wenn 
lein Budget zu Stande kommt, sondern ich habe darauf aufmerksam 
gemacht, daß, wenn man eine verfassungsmäblge Bestimmung vorschlägt 
dahin, daß ein Budgetgesetz zu Stande kommen müsse, daß durch dlese 
verfassungsmäßlge Bestimmung noch immer nicht das wirkliche Zu- 
standekommen eines Gesetzes gesichert ist. Ich habe auf die Er- 
fahr ungen hingewiesen, die im Preußischen Landtag gemacht sind; ich 
°) St. Ber. S. 647.
	        
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