Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 69. Friedenthal. 539 
ans mußten wir diejenigen Anträge stellen, die unsern Gesichtspunkt hier- 
bel zur Geltung bringen. Ich glaube auch, daß dies der allein gerecht- 
sertigte ist. Der entgegengesetzte, welcher das Budgetrecht ge- 
wissermaßen als ein Hoheitsrecht der Landesvertretung aussaßt, 
ist eine von lenen hier schon vielsach kritisirten Abstr actionen aus Eng- 
lischen Verhältnissen, die nichts weiter sind als Adstractionen. In 
England liegt dle Sache allerdings ganz anders, dort enthält das Budget- 
recht zugleich die jährliche Steuerbewilligung, die Bewilligung aller Steuern 
und aller Mittel, welche nothwendig sind, um das Staatswesen fortzusetzen. 
In England ist aber dieses Recht, wie heute von einem der Herren Abge- 
ordneten von der inken sehr richtig bemerkt worden ist, aus dem ständischen 
Princip der Englischen Versassung erwachsen. Die Englischen Reichs- 
stände beanspruchten nach jener ständischen Auffassung des Staates gewisse 
Privatrechte für sich, und ebenso nahm die Krone andererselts gewisse 
Prioatrechte für sich in Anspruch. So entstand aus dem Gegensatz 
dieser privatrechtlichen Stellung der Reichsstände und der Krone 
dasjenige Recht, welches noch heute das Englische Parlament als 
Successor der Reichsstände besitzt. Es paßt diese Auffassung aber nur 
für den ständischen Staat, wie sie aus dem ständischen Staate hervor- 
gegangen ist. Sie paßt durchaus nicht fÜr den Volksstaat, für den 
modernen Staat, der gerade den Gegensatz zu jenem bildet. 
Unsere Anträge") aber find ferner ein Ausdruck des Grundge- 
dankens, den wir in dem Verfassungsentwurfe gesunden haben, 
und gerade, indem wir diesen Grundgedanken einen klareren Ausdruck 
haben geben wollen, als wir in dem Verfassungsentwurf selbst fanden, haben 
wir uns überhaupt gemühigt gesehen, die Amendements zu stellen. War es 
doch von Ansang an augenscheinlich unser Princip, nicht welter von den im 
Ganzen acceptirten Grundsätzen dieses Entwurss abzuwelchen, als es uns im 
Interesse der Sache selbst nothwendig erschien. — Wir haben eine ver- 
schiedene Behandlung derjenigen Ausgaben für nöthlg gehalten, welche die 
Sicherheit des Staates bezwecken — die eine Seite des Versfassungs- 
werkes, das wir hier zu Stande bringen — und eine andere Behandlung 
derjenigen Ausgaben, welche sich wesentlich aus dem wirthschaftlichen Ge- 
biete bewegen. Zunächst haben wir allerdings eine Bestimmung aufgenom- 
men, die von der rechten Seite dieses Hauses bekämpst worden ist; wir 
haben nämlich den Voranschlag der Einnahmen als wesentlichen In- 
halt des auszustellenden Staatshaushaltes in unserm Antrage gefordert. Es 
ist uns dagegen eingewendet worden, daß dadurch das Recht der Regierung 
gewisse Intraden zu erheben in Frage gestellt sel, und daß also gerade durch 
Aesen Zusatz derjenige Schutz, den die Preußische Versassung gewähre, näm- 
lich die durch Gesetze sestgestellten Einnahmen zu sichern, dem Bundesfinanz- 
wesen genommen sei. Duarch die wiederholte Ausführung dieser Einwendung 
Obe#s E. 512 Zif. 1.
	        
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