Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 20. 21. Spybel. 45 
doch auch geubthigt sein, die Consequenzen dieses Princlps auf 
uns zu nehmen, dann, meine ich, würde es einleuchtend sein, daß der- 
jemige Mann, der die allgemeine Wehrpflicht activ nun auch ausübt, auch 
in Bezug auf das Wahlrecht eine, wenn auch nicht bevorzugte, jedensalls 
doch eine in erster Linle berechtigte Stellung haben müßke. Nun, meine 
Herren, der von dem Herrn Abgeordneten uns empfohlene Ar- 
tikel dieser Versassung will fürs Erste dos letzthin ausgellbte Reichs- 
wahlgesetz fortdauern lassen, damit also das active Wahlrecht an 
die Bedingung des sünfundzwanzigjährigen Alters knüpsen. Dann 
also müßten wir nach der Theorie des Herrn Abgeordneten für Neustektin 
vor allen Dingen gerade diesem Wahlgesetze den Abschled geben. 
Denn gerade die große Masse der activen Soldaten steht ja zwischen 
dem zwanzigsten und fünfundzwanzigsten Jahre. Sie wären ja daun gercde 
ausgeschlossen von dem Wahlrechte, welches er basiren will auf die allge- 
meine Wehrpflicht. Und dann welter, wenn die allgemeine Wehr- 
plicht sich in seinem Haupte metamorphosirt und sich umsetzt 
in das allgemeine Gahlrecht, so bekenue ich, nicht recht abzusehen, 
wie man die weitere Folgerung ableugnen wollte, daß nun auch das allge- 
meine Wahlrecht sich gliedern müsse ähulich wie die allgemeine Wehrpflicht. 
Gir würden nach der Consequenz dleses Standpunktes alcht blos 
die Freude haben, die verehr ten und ruhmrelchen Generale, die sich 
hrute in unserer Mitte befinden, hier auf diesen Bänken zu sehen, son- 
nern wir würden diesen Generalen dann auch eine ähnlich entspre- 
chende leitende und commandirende Stellung bei der Wahlurne 
zubilllgen müssen. Und, meine Herren, mit der höchsten Verehrung für 
diese glorreichen und lorbeerreichen Männer, ich glaube nicht, daß sie selbst 
der Melnung sein werden, diese Positionen nach ihren kriegerischen Lelstau- 
gen in Anspruch nehmen zu wollen. Ich denke, meine Herren, die allge- 
meine Wehrpflicht giebt den Anspruch auf den Vollgenuß aller 
bürgerlichen Rechte, aber sie giebt nicht den Anspruch auf den 
Vollgenuß aller politischen Herrschaftsrechte. Und hiermit, 
meine Herren, trete ich in den Mittelpunkt unserer Betrachtung 
ein. Ich bin der Melnung, daß für den modernen Liberallsmus kein 
gefährlicherer Krankheitsstoss gedacht werden kann, als diese Sorte 
von Indloidualismus, die sich in der Forderung ausdriückt, daß 
das allgemeine Wahlrecht jedem vernünstigen und sittlichen 
Menschen, vernünftigen und sittlichen Wesen als vernünftiger 
und siktlicher Individnalität zukommt. Meine Herren, das Wahl- 
recht ist der Besitz des Rechtes, den Gesetzgeber zu rnennen. Es 
ist also um eminenten Sinne des Wortes ein politisches Herrschafts- 
recht. Der elnzelne Mensch hat nach den Qualitäten selner Vernüftigkeit 
und Moralität das menschliche und persönliche und unveräußerliche Recht 
anf die Ausübung seiner Arbeitskraft, er hat das Recht der Forderung
	        
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