Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

544 Hndeesinanzen. 
hochgeehrten Herren! Die Debatten der letzten Tage sind ganz entschle- 
den dominirt worden durch die Erinnerung an den Confllet des 
Preußischen Abgeordnetenhauses mitl der Preußischen Reglerung 
wegen des sogenannten Budgetrechts. Es scheint mir daher wünschens- 
werth und für die klare Aufsassung des Verfassungsentwurss von Interesse 
zu sein, wenn derselbe auch einmal von einer Selte vertheidigt 
wird, welche bei dieser ganzen Differenz vollständig unbethel- 
ligt gewesen ist. Es ist, glaube ich, meine Herren, nicht ganz glücklich 
für den Aussall dieser Debatten, daß dem so gewesen ist; denn wir sind 
hier in diesem Augenblicke nicht eine Fortsetzung des Prrußischen Abgeord- 
netenhauses, wir haben nicht die Aufgabe, eine innere Preußische Differenz. 
zu schlichten, sondern wir haben die Aufgabe, hier etwas ganz Neues zu 
schaffen. (Sehr richtig!) Wir haben une hier also nicht nach bestehen- 
den Gesetzen zu richten, sondern wir haben de lege ferenda zu 
beschließen. Dabei müssen wir aber auch berlcchsichtigen, daß diejenigen 
Finanzbestimmungen, die wir in den Entwurf ausgenommen und der hohen 
Versammlung vorgelegt haben, nicht für einen Einheitsstaat berechnet 
stnd, sondern für einen Bund. Gehen wir nun auf die eigentliche Bedeutung 
des Budgetrechts zurlick — ich will das nicht näher hier entwickeln, das ist 
eine ziemlich allgemein bekannte Sache — aber ich glaube, ich irre mich nicht: 
es knüpft sich die politische Bedeutung, die diesem Rechte selbst von den 
extremsten Seiten belgelegt wird, hauptsächlich an die directen Steuern. 
Directe Steuern aber kennt unser Entwurf gar nicht, wir haben es nur 
mit indirecten Bundessteuern zu thun. Wir gründen auf keinen Einheits- 
staat, sondern einen Bund. Dieser Bund umsaßt und absorbirt auch nicht 
die volle staatliche Gewalt aller einzelnen Staaten, die letzteren bestehen viel- 
mehr nebenbei fort; es bestehen die innere Gesetzgebung, das Innere Finang- 
wesen der einzelnen Staaten, das innere Bewilligungsrecht der einzelnen 
Kammern ganz intact nebenbei fort. Es handelt sich hier nur um die Be- 
wllligung solcher Ausgaben, die für den Vund und Bundeszwecke gemacht 
werden, und um die Bewilligung der Einnahmen, die zur Bestreitung dieser 
Ausgaben nothwendig sind. In Bezug auf die Bundesausgaben unterscheldet 
die Verfassungsvorlage drel hauptsächliche Kategorien, einmal die für das 
Militär, diese sollen verfassungsmäßig ein für allemal festgesetzt werden: 
zweitens die für die Marine, darüber soll, wie es in dem Entwurfe heißt, 
eine Vereinbarung stattsinden, und drittens die Ubrigen Ausgaben, die in 
einem Etat vorgelegt und alsdann auf dem Wege eines Bundesgesetzes fest- 
gestellt werden sollen. Demnächst handelt es sich um die Bewilligung der 
Einnahmen. Die Natur dieser Einnahmen ist in dem Entwurfe vollständig 
genau festgestellt worden. Es sollen hiernach für Bundeszwecke verwendet 
werden die Zölle, die gemeinschaftlichen Einnahmen von Branntwein, Bier, 
Zucker u. s. w. u. s. w. Meine Herren, das sind meines Erachtens alles 
keine Einnahmen, die sich, wie sie einmal gesetzlich feststehen, ohne Weiterrs
	        
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