Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

554 Bundesfinanzen. 
das ist ein sehr ungerechter Borwurf. Wir sind hier mit dem besten 
Willen hergekommen, uns zu einigen, mit dem Willen, das Unsrige dazu 
zu thun, daß sie zu Stande kommt. Wir haben nur geglaubt, an den con- 
stitutionellen Rechten, welche wir im größten Theile der Länder des Nord- 
deutschen Bundes haben, festhalten zu müssen. Meine Herren, ich könnte 
den Vorwurf zurückgeben. Ist uns nicht heute noch und neulich hier immer 
von jener Seite des Hauses gesagt worden: wenn dies und dies nicht ge- 
schieht, dann nehmen wir die Verfassung nicht an? Ich will den Vorwurf 
aber nicht zurückgeben. Ich denke, wir ehren unsere Ueberzeugungen, wenn 
sie auch auseinander gehen. Es ziemt sich nicht, daß wir uns gegenseitig 
mit Vorwürfen kommen. Ich glaube, wenn Sie gerecht sein wollen, müssen 
Sie uns zugeflehen, daß die Forderungen auf dieser Seite des Hauses nur 
äußerst gemäßigte sind. Der Herr Präsident der Bundescommissäre hat uns 
in einer der ersten Sitzungen versichert, daß weder die Preußische Reglerung 
noch die Üübrigen Bundesregierungen beabsichtigten, sich von den constitutis- 
nellen Frelheiten, die Deutschland besitzt, loszusagen. Nun, meine Herren, 
wir haben nur die Conseqvenz aus dieser Versicherung gezogen. Man weist 
uns immer auf die drohenden Kriegsgefahren, die drohenden Zeiten hin, um 
uns zu bestimmen, dab wir uns für die Ausichten dieser Seite des Hauses 
entscheiden. (Ruf: Zur Sache!) Meilne Herren, ich glaube, daß ich zur 
Sache bin. — 
Vicepräsident Herzog von Ujest: Ich möchte nur dem Redner bemerken, 
daß er in seiner Ausführung zum Artikel 66 sehr welt geht. 
Wiggers fortsahrend. Ich wollte daraus die Schlußsolgerung ziehe, 
daß entsprechend diesen gemäßigten Forderungen uns auch das Budgekrecht 
bewilligt werden müßte — und da, meine ich, bin ich gerade zur Sache — 
und ich wollte nur sagen, daß es an Ohnen liegt, daß Sie gerade von dieser 
Seite aus uns unterstützen müßten. Meine Herren, denken Sic an die Zeit, 
an die Sturm= und Drangperiode, wo die glorreichen Preußischen Staats- 
männer die Leibeigenschaft aufhoben und dem VBolke die wirthschaftliche Frei- 
heit gaben. Ahmen Sie, meine Herren, dieses Beispiel nach! In demselben 
Augenblick, wo vielleicht das Gut und Blut des Volkes in Auspruch ge- 
nommen werden soll, da ist es nicht an der Zeit, dem Volke Mißtrauen zu 
zeigen, da, meiue ich, müßten Sie jenen berlhmten Preußischen Staats- 
mäunern nachahmen, und müßten jetzt dem Volke die constitutionelle 
Freiheit geben. Und ohne das volle Budgetrecht, meine Herren, ist die 
constitutlouelle Freiheit nur Schein. (Uebhoftes Bravot linke.) 
Der Schluß der Discussion Über Artikel 70 wurde angenommen") 
und sofort unter Auesetzung der Abstimmung"“) zur Discussion bber 
den nächsten Artikel vorgeschritten. 
*) St. Ber. S. 653 I. n 
*#) Die Abstimmung sihe am Ende des Abschuittes „Bundesfinanzen“.
	        
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