ArtikelN 4—77. Wächter. 575
gegen einen ein zelnen Staat begangen, einen Hoch= oder Landes-
verrath bilden würden, wenn sie gegen den Norddeutschen Bund
begangen werden, ebenfalls als Hochverrath und als Bundesver-
rath bestraft werden. In dleser Hinsicht bestimmt nun der Artikel 69
d. E. als Spruchbehörde das Ober-Appellationsgericht zu Lübeck.
Es hat diese Bestimmung etwas Überaus Bestechliches, denn das wird man
wohl sagen können ohne Gefahr zu laufen irgend wie widerlegt zu werden,
daß es kein unpartelischeres, selbstständigeres und intelligenteres
Gericht glebt, als das Ober-Appellationsgericht zu Lübeck, und
ihm könnten wir unsere wichtigsten Sachen, soweit ein Gericht
darüber zu sprechen hat, mit dem größten Vertrauen an vertrauen.
Aber, meine Herren, als Spruchbehörde, wenn wir das Wort genau
nehmen — ich weiß in der That nicht, wie ich den Artikel 69 anders ver-
stehen foll — aber wenn wir es genau nehmen, so machen wir durch diesen
Artikel einen ganz ungeheuren Rückschritt in ein Verfahren, das
setzt durch die allgemeine Stimme der Sachverständigen und der
Nichtsachverständigen verworfen wird. Eine Spruchbehörde ist
eine Behörde, die bloß ein Urtheil zu fällen hat, aber nicht eine Be-
hörde, vor der verfahren und verhandelt wird. Es müßten also in
den einzelnen Ländern in dem möglichst schlechten Proceßverfahren, in dem
gehelmen schristlichen, die wichtigsten Anklagen, die Über Hochverrath und
Bundesverrath, verhandelt werden; dann würden diese Acten nach Lübeck ge-
sendet und das Ober-Appellationsgericht daselbst hätte dann feinen Spruch
zu fällen. Das kann doch unmöglich gemeint sein! In allen unseren Staa-
ten haben wir in dem Criminalproceß — wenn auch nicht in allen Geschwore-
nengerichte aber doch — öffentliches und mündliches Versahren und dieses Ver-
fahren werden Sie doch nicht in diesen Fällen ausschließen wollen. Ist aber
gemeint, daß eine Verhandlung vor dem Ober-Appellationsgericht in Lübeck
stattfinden soll, ja, dann ist dieser Artikel vorerst undurchführbar, weil dazu
nothwendig ein das Verfahren näher bestimmendes Gesetz nöthig ist. Und
dann wäre es noch sehr bedeuklich das Ober-Appellationsgericht in Lübeck,
das an der äußersten Grenze des Nordens liegt, gerade für diese Verbrechen
zu dem entscheidenden Gerichte zu wählen, — wenn also z. B. wegen eines
Hochverrathsprocesses, der einem Frankfurter oder Wiesbadener etwa gemacht
wird, er mit allen Zeugen und Gegenzeugen nach Lübeck gebracht und dort
Über die Sache verhandelt werden sollte. Ich glaube, wenn Sie Uberhaupt
auf den Gedanken eines Bundesgerichts eingehen, der ganz nothwendig auch
aus anderen Gründen nach meiner Ueberzeugung realisirt werden muß, — daß
Sie dann am einfachsten dieses Bundesgericht auch für diese Vergehen für
competent erklären würden. Ich habe deßhalb mir den Antrag zu siellen
erlaubt, vorerst ee bei der Competenz der Landesgerichte zu laffen,
aber allerdings die Bestimmung festzuhalten, daß die erwühnten
Handlungen, hegen den Bund begangen, ebenso bestraft wer-