Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 74—77. Windthorst. 579 
Nordneten, in dieser Hinsicht uns seine Erfahrungen und Bedenken mitzu- 
thellen, und wird es für mich von diesen Ausführungen abhüngen, inwiefern 
ich mich im Stande finde, mich für seine Anträge zu erklären. Uebrigens 
mache ich aufmerksam, daß die einschlagenden Bestimmungen des Altpreußischen 
Strafgesetzbuchs nicht Überall in Norddeutschland Geltung haben. Was Ar- 
tikel 69 d. E. bekrifft, so ist bereits hervorgehoben worden, daß die Ueber- 
weisung der darin bezeichneten Sachen an das Ober-Appella- 
tionsgericht in Lübeck an sich zweckmäßig sein mag, dab die Ueber- 
weisung, wie sie proponirt, aber kaum ausführbar erscheint, weil es 
eben in der Proceßordnung fehlt und insbesondere nicht klar gewor- 
den ist, wie es eigentlich mit der Voruntersuchung, der Unter- 
suchung bls zum Spruch und mit der Nichtigkeitsbeschwerde sein 
werde. In dieser Hinsicht glaube ich, hat das Amendement Schwarze 
und Genossen Vieles für sich. Wenn es angenommen wird, so muß, 
bevor die fraglichen Sachen an das Ober= Appellationsgericht in Lübeck ge- 
langen, zunächst ein Gesetz erlassen werden, welches das Verfahren 
regelt, und bis dahin bleiben jene Sachen bei den Landesgerich- 
ten. Ich werde deshalb fUr den Antrag der Abgcordneten Schwarze und 
Genossen mich erklären können. Die wichtigste Frage aber ist in Ar- 
tikel 70 d. E. enthalten. Diesem Artikel 70 würde ich, wie er liegt, meine 
Zustimmung nicht geben können. Von Anderem abgesehen glaube ich 
namentlich, daß die Bestimmungen, wonach Streitigkeiten Über Ver- 
fassungen, wenn es dem Bundesrathe und dem Präsidium nicht 
gelingt, sie in Güte auszugleichen, durch die Bundesgesetzgebung be- 
seitigt werden sollen, eine Einrichtung schaffen, welche unter keinen 
Umständen zugegeben werden kann. Es ist, glaube ich, mit Recht 
schon hervorgehoben worden, daß man durch die Gesetzgebung für die Zukunft 
die Verhältnisse ordnen kann. Ein Urtheil darüber aber, wie die Verhält- 
nisse in der Vergangenheit grordnet sind, kann nur durch einen Schiedsspruch 
erfolgen, mag die Behörde, welcher man diesen Schiedsspruch überträgt, ge- 
wählt sein wo immer. Ich könnte mir denken, daß man sagte, der Bundes- 
rath solle solche Streitigkeiten entscheiden. Ich kann mir aber nicht deuken, 
daß man im Wege der Gesetzgebung einen Streit dieser Art entscheidet. Das 
würde eine Gesetzgebung sein für einen einzelnen bereits gegebenen Fall und 
mit rückwirkender Kraft. Das würde etwas ganz Anomales sein. Es ist 
das der gerade Gegensatz zu demjenigen Prinzip, welches man verfolgt, wenn 
man für diese Zwecke ein Bundesgericht zu erlangen sucht. Dieser Tendenz, 
ein Bundesgericht für die im Artikel 70 d. E. erwähnten Streitigkeiten und 
andere zweckmäßig dahin zu verweisenden Streitigkeiten haben zu wollen, muß 
ich mich anschließen. Es sind in dieser Hinsicht ver schiedene Anträge 
gestellt, cin Antrag des Staatsraths Zachariae, ein Antrag des Geheimen 
Raths von Wächter und endlich noch ein Antrag von dem Abgeordneten 
Schwarze in Verbindung mit dem Amendement des Abgrordneten Reichensper- 
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