Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artilel 76. Zachariat. 599 
oder bestritten ist, — eine gerichtliche Erledigung herbeigeführt werde, wie das 
in der Wiener Schlußacte Artikel 30 vorgesehen ist. Und endlich besteht 
meines Erachtens ein Mangel darin, daß für sogenannte Justizbeschwerden, 
d. h. für Beschwerden wegen verweigerter oder gehemmter Rechtspflege in 
diesem Bundesorganismus durchaus keine Vorsorge getroffen ist, und ich 
meine, daß wenn man auch erwarten darf, daß solche Rechtsverkümmerungen 
Seitens der einzelnen Bundesstaaten selten vorkommen werden, doch cs 
durchaus nothwendig ist, daß für diesen Fall auch für den Norddeutschen 
Bund eine Aushülfe geschaffen werde. Auch an diesen Fall scheint man bei 
dem Artikel 70 nicht gedacht zu haben, oder man hat ihn für so unwichtig 
erachtet, daß man ihn deshalb übergangen hat. Nun ist gesagt worden, 
man habe sich bei der Berathung dieses Artikels eben auf das Allernoth= 
wendigste beschränkt. Allein theils finde ich durchaus nicht, daß dies der 
Fall sei, d. h. daß man auch nur das Nothwendigste gegeben, und anderrr- 
seits sehe ich nicht ein, warum man sich nicht etwas mehr Zeit hätte nehmen 
können, um auch in dieser Beziehung denjeuigen Ansprüchen zu genügen, die 
im Allgemeinen an eine solche Bundesverfassung nothwendig gemacht werden 
müssen. Wenn es blos darauf ankämne, hier nur eine transitorische, interimistische 
Gerichtseinrichtung zu treffen, so wlirde ich es durchaus für angemessen er- 
achtet haben, erstens Streitigkeiten zwischen Bundeêgliedern, insoweit sie ihrer 
Natur nach nicht vor die Landegerichte gehören, nach fruchtlosem Bemühen 
beim Bundesrath an eine austrägalgerichtliche Entscheidung zu verwelsen, zwel- 
tens Suoceessionsstreitigkeiten u. s. w., ferner die Abhülfe für Beschwerden 
über verweigerte Rechtspflege provisorisch dem Bundesrath zu üÜberlassen, aber 
dabei die Nothwendigkeit auszusprechen, daß die Entscheidung auf Grund eines 
von einem der obersten Gerichtshöfe Deutschlands einzuholenden Rechtsgut- 
achtens zu finden sei, und dann drittens in Beziehung auf Vefassungsstrei- 
tigkeiten in ähnlicher Weise zu verfahren, oder eine ähnliche Einrichtung zu 
treffen, wie sie im Deutschen Bundesrecht durch das sogenannte Bundes- 
schiedsgericht vom Jahre 1834 vorgesehen war. Meine Herren! Dileses 
Bundesschiedsgericht vom Jahre 1834 zur Erledigung von Streitigkeiten 
zwischen den Regierungen und Ständen ist zwar ein todtgeborenes Kind ge- 
wesen, allein weshalb? Weil man die unbegreifliche Voraussetzung oder Be- 
dingung für die Betretung dieses Weges hingestellt hatte, daß beide Theile 
sich damit einverstanden erklärt hätten! Nun ist es, so lange die Welt steht, 
anerkannt gewesen, daß wenn man es von dem Belieben des Beklagten ab- 
hängig macht, ob er Recht nehmen will oder nicht, dann niemals eine Ent- 
scheidung und Erledigung zu erwarten sei, und so ist denn in den wenigen 
Fällen, wo die Sache zur Sprache kam, entweder von Seiten der Regierung 
oder von Seiten der Stände die Betretung dieses Weges abgelehnt worden. 
Z. B. als die Hessischen Stände nach Erlöschung der Rothenkirchischen Neben- 
linie im Jahre 1834 in Beziehung auf die Frage, wie es nun mit dem 
Domanium werden soll, eine solche Entscheldung begehrten, da wurde von
	        
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