Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

602 Schlichtung von Streitigkeiten 2c. 
dahin, Recht und Macht mit einander zu identificiren (Bravol) in der Art, 
daß das Recht die Macht auch allemal sicher hinter sich hat. (Sehr richtig!) 
Recht und Macht sind immer in Krisen und in abnormen Zeiten Differenz- 
punkte, in gesunden Zeiten sind sie identisch, und wir wollen dahin streben, 
daß sie wieder identisch werden, sind und bleiben. (Bravol) Es wird, wir 
mögen so oder so beschließen, an Rechtegelehrsamkeit in Deutschland nie ein 
Mangel sein, (Heiterkeit) wir werden immer eine Hülle und Fülle von Rechts- 
gutachten in utramque partem haben; kurz, darüber können wir uns beru- 
higen. (Heiterkeit.) Ich gehe einen Schritt weiter und sage, es ist mir 
Überhaupt im höchsten Grade bedenklich, ein politisches Reichsgericht zu con- 
stituiren, und es namentlich in der gegemwärtigen Lage der Dinge zu con- 
stituiren. Es ist unter allen Herren, die den Antrag gestellt haben, auch 
nicht ein Einziger, der sich erlaubt hat, den Vorschlag zu machen, in dem 
gegenwärtigen Augenblick bereits definitiv ein Reichsgericht zu constituiren. 
Können wir das also nicht, nun so müssen wir uns bei dem Provisorium 
begnügen und deshalb begreif' ich diese Polemik nicht, die man gegen das 
Provisorium oder Interimisticum richtet. Du mein Gott. es ist ja Alles 
„hier unter dem wechselnden Monde“ so zu sagen provisorisch, d. h. es gilt 
so lange, bis es anders wird. (Heiterkeit.) Auch der Antragsteller schlug 
hla nur ein Provisorium vor, er schlug vor, daß einstweilen das Oberappel- 
lationsgericht der freien Städte als politischer Gerichtehof fungire. Gerade 
das scheint aber in hohem Grade bedenklich. Es ist das bekanntlich ein vor- 
trefflicher Gerichtshof, ich fürchte aber, wenn wir ihn zum Staatsgerichtshof 
machen, wenn wir ihn mit der Politik heimsuchen und behelligen, so würde 
er gewiß nicht besser werden. Ich möchte ihn für meine Person intact er- 
halten, damit er das hohe Muster für die Rechtsprechung bleibt, das er bis- 
her gewesen ist. Die Theorie der Bundesgerichte ist enklehnt aus der Ver- 
fassung der Amerikanischen Union und aus der der Schweizer Eldgenossen- 
schaft. Es sind aber dort ganz wesentlich andere Verhältnisse; die verschie- 
denen Staaten und Territorien und Cantone sind ungefähr von gleicher Macht, 
während unser Bund zusammengesetzt ist aus fünf Sechsteln Preußen und 
einem Sechstel Nichtpreußen. Auch wird man zweitens in Amerika und in 
der Schweiz die positio 4 des Amendements der Herren Zachariae und Ge- 
nossen nicht nöthig haben: in Amerika und in der Schweiz kommen nämlich 
Streitigkeiten über Thronfolge, Regierungsfähigkeit und Regentschaft in den 
einzelnen Staaten, so viel ich weiß, nicht vor. (Hört! Hörtl) Gerade die 
positio 4 des Antrags, die allerdings sehr schön flankirt ist von drei vor- 
ausgehenden und drel nachfolgenden unschuldigen Posktionen, scheint mir aber 
eigentlich des Pudels Kern zu sein. (Sehr richtig! Heiterkeit.) Ich möchte 
nicht die Hand dazu bieten, daß vermittelst dieser Position 4 etwa der Prinz 
von Augustenburg noch einmal einen „letzten Versuch“ wage. (Große Hei- 
terkeit; Sehr gut!) Wenn man uns sagt, es sei kein Gerichtshof da, bei 
welchem man den Bund belangen könne, so glaube ich, treten da die Bor-
	        
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