Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artilel 79. Bebel. 621 
wollen, dann, meine ich, hatte es gar keine Ursache, elne solche Bestimmung 
in diesen Vertrag aufnehmen zu lassen, denn Preußen war es, welches den 
Friedensvertrag vorgeschrieben hat, und ich habe die feste Ueberzeugung, wenn 
die Preußische Regierung wirklich einsähe, daß ihr durch diesen Friedensver- 
trag irgend welcher Schaden erwüchse, so würde sie gar nicht anstehen, dlesen 
Friedensvertrag zu zerreißen, (Oh! Ohl rechts) und ich habe die Ueberzeu- 
gung, daß wenn heute die Oesterreichische Regierung in der Lage wäre, die 
Niederlage und Blamage vom vorigen Jahre auszuwetzen, sie sicher dazu 
schreiten würde — heute noch. Also äußere Gründe sind es wahrhaftig nicht, 
die Preußen veranlassen, sich in dieser Weise zu Sliddeutschland zu stellen, 
sondern es sind innere Gründe, nicht vom Deutschen sondern vom speeifisch 
Preußischen Standpunkte aus, den nach meiner Ueberzeugung die Preußische 
Regierung in dieser ganzen Frage einzig und allein einnimmt, Gründe, meine 
Herren, die vom sperifisch Preuhischen Standpunkt allerdings gerechtfertigt 
sind, das will ich zugeben, nicht aber vom Deutschen Standpunkt aus. Ich 
stche auf dem Deutschen, nicht auf dem Preußischen Standpunkte, deshalb 
muß ich mich gegen diese Gründe erklären. Und was sind das für Gründe, 
meine Herren? Ein geehrter Herr Vorredner hat bereits darauf hingewiesen, 
daß durch den Zutritt Süddeutschlands zu dem Norddeutschen Bunde das 
Machwerhältniß des Bundes ein wesentlich anderes würde, das heißt die 
Stellung der einzelnen Regierungen zu einander. Das ist sehr richtig; das 
ist es eben, was meines Erachtens die Preußische Regierung will, was sie 
im gewissen Sinne fürchtet; denn wenn die Süddeutschen Regierungen in den 
Norddeutschen Bund hereingegzogen werden, so versteht es sich von selbst, daß 
ihre Reglerungen in diesem Bundesrath ein entsprechendes Stimmenverhältniß 
bekommen. Wenn wir dabei das Stimmenverhältniß des Königreichs Sachsen 
als maßgebend betrachten, so würde beisplelsweise Bayern 7, Wllrttemberg 4, 
Baden 3 und Hessen nach seinem jetzigen Größenverhältniß edenfalls 2 oder 
3 Stimmen bekommen, das heißt der Bundesrath würde künftig statt 43 
Stimmen 58 Stimmen zählen. Damit aber wäre die Gefahr vorhanden, 
daß Preußen bei irgend welchen Beschlüssen majorisirt würde. Sie werden 
mir vielleicht entgegenhalten, daß dies auch jetzt schon der Fall sein könne, 
indem Preußen ja nur 17 Stimmen habe gegenüber den 26 Stimmen der 
audern Staaten. Aber, meine Herren, Sie sind gewiß Alle mit mir davon 
fest überzeugt, daß wenn in diesem Bundesrath Preußen erklärt: ich will das 
nicht! — daß wenigstens die Mehrzahl der andern Staaten aus Furcht, sich 
den Zorn des Mächtigen auf den Hals zu laden, mit ihm stiminen werden, 
und daß es im jetzigen Bunde für absolut unmöglich zu halten ist, daß eine 
Mojorität gegen Preußen zu Stande kommt. Das, meine Herren, würde 
aber, wenn Süddeutschland diesem Bunde zuträte, sich etwas anders gestalten. 
Daun wäre eine reale Macht vorhanden, an die die Kleinstaaten im Bunde 
sich anlehnen könnten, und dann würde allerdings der Fall eintreten, viel- 
leicht sehr häufig eintreten und vielleicht nicht gegen unser Interesse, daß sich
	        
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