Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Arlikel 70. Weber. 625 
tritt Süddeutschlands in den Norddeutschen Bund, die Gesammtconstituirung 
von gonz Deutschland das höchste nationale Interesse, daß es das letzte po- 
luische Ziel unserer Nation sein und bleiben muß. Wie dieses Ziel zu er- 
reichen ist, wie es ausgeführt werden soll, das werden wir zunächst aller- 
dings der Regierung der Präsidialmacht des Bundes zu üÜberlassen haben. 
Wir unserersells müssen aber aussprechen, und das müssen die Süddeutschen 
erfahren, daß wir ihnen willig die Hand reichen, daß wir geistig sie auffor- 
dern, mit uns eins zu werden, damit wenn politische Verhältnisse einkreten, 
auch die nothwendige staatliche Form dem geistig schon einlgen Volke gegeben 
werden kann. Und in der That, sind wir deun nicht eins, bilden wir denn 
nicht ein Volk? Was ist es denn eigentlich, was uns von Süddeutschland 
trennt? Was ist denn die Mainlinie, was ist denn der Main, sind denn 
Flüsse überhaupt Trennungsmittel für Völker? Flüsse vercinigen die Völker, 
trennen sie nicht, wie auch der Rheln nie eine Grenze gegen unsern westlichen 
Nachbar, am wenlgsten eine natürliche Grenze gewesen ist. (Schr richtig!) 
Und nun dieses Flüßchen, der Main, der kaum einen Nachen trägt, dieses 
Bächlein, kaum so groß wie unsere Küstenbäche, wenn die Fluth hineintritt, 
kann das uns trennen? (Heiterkeit.) Gilt es nicht gleich, ob Jemand dies- 
selt oder jenseits des Mains in der Wicge lag? Meine Herreu, was 
trennt uus denn? — Wenn uns etwas trennt, so sind es Vorurtheile, Vor- 
uttheile, die vielleicht auch in Norddentschland bestanden haben, weit mehr 
aber noch in Süddentschland. (Sehr richtig!) Es ist möglich, dabß in Nord- 
deutschland Vorurtheile bestanden haben einer Partei, die da geglaubt hat, 
daß wenn die Süddeutschen mit uns vereinigt würden, durch eben diese Ver- 
einigung Elemente in Norddeutschland und namentlich in die Norddeutschen 
Kammern oder in das Norddeutsche Parlament kommen könnten, die — wenn 
ich es so ausdrücken soll — bestimmten Parteiansichten von Nachtheil sein 
könnten. Nun, meine Herren, ich glaube, daß das eine Verleumdong ist, 
wenn es in Bezug auf eine Parttei gelten soll. Ich glaube nicht, daß es 
I# Wautschland eine Partei giebt und daß es je eine Partel geben wird, die 
aus Rücksichten ihres Parteiinteresses irgend elnen Theil Deutschlands 
von dem gemeinsamen Vaterlande ausschließen wollte. (Bravol) Man hat 
auch von den militärischen — wenn ich so sagen soll — Vorurtheilen ge- 
sprochen; man hat behauptet, dabß Norddeutschland stärker wäre, wenn es in 
sich abgeschlossen bliebe, als wenn es diese Südwestdeutsche Ecke noch zu seinem 
Gebicte hinzuschläge, dic schwer zu vertheidigen wäre. Nun, meine Herren, 
ich mache kelnen Anspruch auf strategische Kenntnisse, indessen das soll mir 
doch auch kein Mensch einreden können, daß Norddeutschland, wenn es in 
einen Krieg verwickelt wird, nicht unter allen Umständen stärker ist, wenn 
die Süddeutschen Bundcsgenossen an diesem Kriege mit uns Theil nehmen. 
(Sehr richtig!) Aber, meine Herren, die Vorurtheile, die in Süddeutsch- 
land gegen den Norden bestanden haben, dic sind allerdings von nicht un- 
erheblicher Art gewesen, wie das die Ereignisse und die Stimmuagen der 
Rateriallen. I1. 40
	        
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