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Hauptgrund ist die Lockerung der Diseiplin in dem Beamten-
stande. Je mächtiger die parlamentarischen Einflüsse auf das Staateleben
einwirken, desto nothwendiger ist meines Erachtens eine straffe Dis-
eiplin in dem Beamtenstande. Wir haben in Preußen augen-
blicklich gewissermaßen zwei Verfassungen die neben einander
laufen: wir haben die alte Constitution des Absolutismusc, dile ihre
Schutzwehr gegen Willkür in der Unabsetzbarkelt der Beamten fand,
und wir haben die moderne constitutionelle Verfassung, mit wel-
cher in fast allen andern Ländern diese Unabsetzbarkeit der Beamten
unverträglich gedacht wird. Wir — wenn ich sage „wir“, so meine ich
in dlesem Augenblick die Preußische Regierung — die Regierung, die
handeln, die sich bewegen soll, sühlt sich gehemmt von allen Seiten.
Sie kann nicht einmal einen Beamten, der zwar formell ihren Anordnungen
gehorcht, der aber in den Geist nicht eingeht, sie kann ihn nicht absetzen.
Es hat das seine großen Vorzüge. Ich möchte die Integrität des
Preußischen Beaomtenstandes, sein Ansehen, sein Gefühl der Würde,
was ihn bei schlechter, oft unzuläuglicher Besoldung Über Versuchungen hin-
weghebt, um keinen Preis verloren geben und möchte lieber die
Uebelstände einer gehemmten und genirten Regierung noch län-
ger tragen, als unbesonnen in diese Schwierigkeiten hinein-
schnelden. Aber gerade, weil wir sie nicht belleblg beseltigen
können, so bedürfen wir aller Mittel, die geeignet sind, eine strenge
Disciplin fest zuhalten, und scheuen uns vor Allem, was gerignet ist.
sie zu lockern. Ich kann nicht behanpten, daß es im Lande einen gnstigen
Eindruck macht, ich kann kaum daran zweiseln, daß es das unbehagliche und
berechelgte Gefühl, daß etwas krank sein müsse im Staote, hervor-
rust, wenn man erlebt, daß in der Oeffentlichleit ein Beamter seinem
höchsten Chef entgegentritt und ihm gegenlber und in Bezug auf ihn
öffentlich eine Sprache führt, die derselbe Beamte unzweiselhast zu wohler-
zogen ist, um sie zu Hause selnem Kanzleidiener gegenüber zu führen. (Be-
wegung.) Das konn ich nlcht als eine nützliche Einrichtung einsehen. Ich
gebe gern zu, daß dieses Bedenken sich schon heben würde, wenn nicht die
Klausel des Zwangsurlaubes in der Versassung stände, daß elne Re-
gierung deuch die Versassung gezwungen ist, demjenlgen Beamten, von dem
sie voraussetzt, er wird sie mit Heftigkeit angreisen, hierzu ausdrücklich den
Urlaub zu bewilligen. Ich bin als Minister sehr bereit, mir die
stärksten Vorstellungen von einem Beamten, der von seinem
Pflichtge fühl geleitet wird, in einem Schriftstück gefallen zu
lassen, aber ich würde es schwer ertragen, Minister zu bleiben,
wenn ich genöthigt wäre, in meinem Ressort einen Beamten
fortdauernd zu beschästigen, der mir ösfentlich diejenige Ach-
tung versagt, auf die ich in meiner Stellung Anspruch mache.
(Bravokl rechte.) Wenn sich diesen Uebelständen eine Abhülfe nicht