630 Berhälmiß zu Süddeueschland.
Amendeurent zum Theil wenigstens mit dem unfrigen auf demselben Boden
zu stehen — können wir als Volksvertretung unmöglich damit einverstanden
sein, daß zwischen uns und unseren Stammesbrüdern in Süddeutschland und
überall sonst bloß internationale Beziehungen durch diplomatische Berträge
das Bindemittel sein sollen. Ich gehe nicht darauf ein, ob man Seitens
der Königlichen Regierung die Macht und die Veranlassung hatte, bei den
Friedensschlüssen an der Mainlinie und an dieser bloß internationalen Ver-
bindung still zu stehen. Aber auch Diejenigen, welche der Meinung sind und
das Verfahren' der Königlichen Regierung vollkommen billigen, müssen doch
sagen, daß es jetzt, wo Sie hier versammelt sind, darauf ankommt und die
heiligste Pflicht dieses Reichstags ist, nach außen hin wie nach jenen getrenn-
ten Ländern hin ihr schwerwiegendes Wort in dieser Beziehung in die Waag-
schale zu werfen und auszusprechen: daß nach beiden Seiten ein Recht und
eine schwere und bedeutende Pflicht in dieser Beziehung obwalte, und wenn
die Regierungen bis jetzt nur dazu gelangen konnten, den internationalen
Verband durch Verträge in Aussicht zu stellen, wir uns dabei nimmermehr
beruhigen können. Wir haben ein Recht, auf die Einigung der bisher ge-
trennten Theile zu dringen, wir haben aber auch eine Pflicht für diese Eini-
gung in unseren Erklärungen die Stelle offen zu halten und dieselbe möglich
zu machen. Deswegen muß unbedingt dieser Beitritt der Süddeutschen Staa-
ten, Luxemburgs und aller früher zum Bunde gehörigen Länder, wenn sie
im Stande und gewillt sind, den Bedingungen dieser Verfassung zu genüigen,
als ein ihnen zustehendes Recht von uns offen ansgesprochen werden. Dar-
auf kommt es in dieser Sache an und das müssen wir hier aussprechen.
Nun und nimmermehr können wir uns dabei beruhigen, daß dies bloß als
wlinschenswerth dargestellt wird. Wir müssen den getrennten Theilen zu-
rufen, daß sie das Recht haben beizutreten, daß sie aber auch die Pflicht
haben, diesen Beitritt in möglichst naher Zeit verwirklichen zu helfen. Wir
tragen diesen Forderungen bei der Fassung unseres Amendements sowie der
Sitnation vollkommen Rechnung. Wir können in diesem Angenblicke nicht
fordern, daß die Bundesregierungen sofort Schritte in dieser Sache thun.
Wir halten uns nur den Beitritt offen, wir legen uns sowohl wie jenen die
Pflicht auf, daß von beiden Seiten Alles gethan werde, um den Beitritt zu
verwirklichen. Es wurde hier seitens eines geehrten Redners, welcher zwar
dieselben Tendenzen vertrat, wie wir, aber doch nicht dieselben Folgerungen
in der Sache machte, ausgesprochen, dah — wenn ich recht verstanden habe —
gewisse „Ragen-Antipathien“ zwischen dem Norden und Sliden von
Deutschland bestehen sollten, und ich habe mich allerdings über diesen unzu-
trefsenden Ausdruck sehr gewundert. Man kann höchstens von Stammes-
Eifersüchteleien und dergleichen sprechen. Aber wenn man nach dem rechten
Grunde fragt, welcher einen großen Theil von Süddeutschland bieher noch
immer gegen eine Einigung mit uns eingenommen hat, so ist dies ein gang
anderer, sehr ernster. Bei dem ganzen Gange der 4 inge, besonders der inne-