638 Berhäliniß zu Süddeutschland.
der Besprechung llber politische Angelegenheiten giebt, welche nur von der
äußersten Oberfläche schöpft, und die sich daun ein Bild selbst construirt,
welches der Wahrheit nicht entspricht. Ich glaube, hier ist die Stelle, solche
Meinungen, welche geeiguet sind, Befürchtungen zu verbreiten, gänzlich zu
zerstreuen; ich rechne namentlich dahin den Vorwurf, der gegen die Preußische
Regierung gerichtet wurde, daß sie nicht das ganze Deatschland einigen
wolle, und namentlich den Rath, der ihr ertheilt worden ist, ohne Rücksicht
auf den Wunsch Oesterreichs in ihrer Deutschen Politik vorzugehen. Meine
Herreu, in der Erklärung, welche der Herr Ministerpräsident auf die In-
terpellation gestern gegeben, haben mich zwei Dinge besonders gefreut. Das
Erste bestand darin, daß ich aus seinen Worten meine folgern zu können,
daß die Regelung der Deutschen Verhältnisse von Seite der Preußischen Re-
gierung nicht als eine Europäische, sondern als eine rein Deutsche und innerr
Frage betrachtet werde, und ich werde darin nicht beirrt, daß der Herr
Ministerpräsideut hinzugefügt hat, es sei nothwendig, zunächst Oesterreich von
den Absichten Kenntniß zu geben, da ich meine, daß unter den vortrefflichen
Erfolgen, welche die Krisis des vergangenen Jahres herbeigeführt hat, an
der Spitze der steht, daß richtig betrachtet und abgesehen von den augenblick-
lichen Leidenschaften sortan die Interessen Preußens und Oesterreichs nicht
mehr auseinandergehen. (Sehr wahr!) Ich glande überhaupt, daß durch die
Krisis des vergangenen Jahres nicht die Triebkräfte veräudert, sondern nur
die unnatürlichen Hindernisse hinweggeräumt worden sind, welche den Kräf-
ten nicht gestattet hatten, sich natürlich zu eutwickeln. (Sehr richtig!) Es
war unnatürlich, daß Oesterreich, welches durchweg angewiesen ist auf die
Reserve Preußens, bei allen Schritten und trotz entgegengesetzter Versiche-
rungen gegen Preußen mit Eifersucht erfüllt war und seine Politik nicht
immer der Preußischen zu arcomodiren wußte. Es war unnatürlich, daß
Preußen, welches Oesterreich schon insofern nüher sich verbunden weiß als
irgeud einem auderen Staate, weil Millionen von Drutschen mit Oesterreich
verbunden sind und dort ihre staatliche Entfaltung zu erwarten haben — dabß
Preußen dennoch seine Politik durch Oesterreich gekreuzt gesehen hat. Es
war unnatürlich, daß einzelne kleine Staaten nicht den Einheitsgedanken in
sich genährt und an den unmittelbaren Auschluß an den kräftigsten Staat
Deutschlands gedacht, sondern zwischen den beiden Grohmächten balancirt und
sich eine Trias erdacht haben, welche ewig hätte ein Nebelbild bleiben müssen.
(Sehr richtig!) Meine Herren! Alle diese Hindernisse sind nunmehr hin-
weggeräumt, und ich kann es mir nicht deuken, wie nun Oesterreich, welches
mit seiner inneren Krästigung beschäftigt ist und welches seinen Beruf auch
darin erkennen muß, die Deutschen Lande, welche mit stärkeren Banden an
die dortige staatliche Gestaltung geknüpft sind als an Deutschland — dese
Deutschen Lande zu conseroiren und nicht unterdrücken zu lassen durch die
Bestrebungen der Ubrigen Nationalitäten, — ich sage, ich kann es mir nicht
denken, wie dieses Oesterreich, welches jetzt seine richtige Deutsche Politik er-