Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

640 Verhältniß iu Süddenischland. 
Schrader (Kiel).“) Meine Herren! Ich liebe es nicht, ernste An- 
gelegeuheiten scher zend zu behandelu. Sie werden von mir also nicht 
Bonmots statt Gründe augeführt erfahren, wie wir dies noch gestern aus 
dem Munde des Herrn Abgeordneten für Wiesbaden in einer sehr ernsten 
Angelegenheit haben veruehmen müssen. Wenn ich mich der Gunuft dieses 
Hohen Hauses und der Nachsicht desselben in demselben Maße vergewissert 
halten dürste, wic dies bei manchen einzelnen Mitgliedern dieses Hauses der 
Fall zu sein scheint, so würde ich, da mir das Wort vergönnt ist, mich in 
großer Versuchung befinden, einige parlamentarische Streiszüge zu machen, 
wie zum Beispiel etwa den Herrn Abgeordneten für Hagen zu fragen, ob er 
den von meinen Freunden und mir ausgegangenen Antrag auch als einen 
Beweis von Particularismus ausehr. (Abgeordneter Freiherr v. Vincke (Hagen): 
Ja wohl! Ruf: Gewiß!) Inzwischen, meine Herren, die Sache ist mir 
zu ernst. Ich bitte Sie also den vou uns eingegangenen Antrag 
recht sachlich und genau ins Auge zu fassen, ich glaube ihn Ihrer Ausmerk- 
samkeit ganz besouders empfehlen zu dürsen. Nicht als ob ich auf die For- 
mulirung einen vorzugsweise großen Werth legte; im Gegentheil, ich bin 
gerne bereit, ihn zu Gunsten eines besser formulirten zurlickzuziehen. Aber 
die Tendenz, der Inhalt desselben ist für mich eine Angelegenheit von 
so außerordentlich großem Werthe und Ernste, daß ich kein Be- 
denken trage, es von dleser Stelle auszufprechen, daß, salls der 
Artikel 71 des Eutwurss nicht eine entsprechende Veräuder ung 
erleiden sollte, für mich es eine Unmöglichkeit wäre, den hohen 
verbündeten Regierungen, welche uns hierher zu Rathgebern berufen haben, 
anzurathen, diesen Entwurfs als Verfassung für den Norddeutschen Bund 
zu promulgiren. (Ahak rechts.) Meine Herren! Das erste und unver- 
ä#uberliche nationale Recht ist das auf nationale Existenz und Zufammenge- 
hörigkeit. Keiue Natiou giebt dieses Recht auf, so lauge ihr eine Möglich- 
keit der nationalen Existenz bleibt, das heiht so lange sic die Kraft in ch 
sühlt, sich als Nation zu coustituiren. In den Tagen des Glanzes der 
Deutschen Nation, hieß der Träger der Deutschen Staategewalt „Mehrer 
des Deutschen Reichs“. Als die Deutsche Herrlichkeit zu sinken begann, als 
die Deutschen Angelegenheiten in Verwirrung geriethen, als das Deutsche 
Reich ausgelöst ward, und nun die germanischen Stämme durch einen Schniel- 
zungsprozeß hindurchgiugen, welcher die Einzelsouverainitäkten zu einer Ent- 
wickelung brachte, welche bisher nicht gekannt war, da trat dennoch dieser 
nationale Gedanke in den Vordergrund, sobald die Deutsche Nation wieder 
zur Selbstbestimmung gelangte, und der Deutsche Bund hatte vorzugsweise 
diesen Zweck, die national-deutschen Elemente auch natioual zusammenzufassen, 
und wie lose dieses Band auch war, es war dennoch ein, Band, welches sie 
alle zusammenschlang, alle Glieder der großen Deutschen Nation miteinau- 
Si. Ver. S. 685.
	        
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