Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 79. Biacke-H. 645 
größer als heutr. (Sehr richtig!) Auf diesem Felde des verfassungsmaßi- 
gen Rechtes liegen jene Sympathien oder Antipathien nicht, sondern sie 
liegen, abgesehen von verschiedenen Stammesverschiedenheiten — von 
Racenhaß zu sprechen, fällt mir im Traume ulcht ein, — ich sage, die 
Ursachen dieser Antipathien liegen wesentlich darin, daß unsere Sliddeutschen 
Brüder es sehr bequem fünden, wenn wir ihren Schutz gegen das Ausland 
übernehmen, es aber für höchst unbequem halten, wenn sie bei der Abwehr 
gegen das Ausland und überhaupt an den Pflichten, die ein großer Staat 
zu erfüllen hat, sich betheiligen sollen. Das ist ihr Particularismus, dieses 
gemüthliche, behagliche Stillleben und Geschäfteleben, wie es in Süddeutsch- 
land vorherrschend ist, welches da für die Deutsche Einheit singt und turnt 
und schwärmt aber nicht Lust hat, etwas Wesentliches und Wirkliches dazu 
zu leisten. Das ist der Grund der Antipathien, meine Herren, soweit mir 
wenigstens die Sache bekannt geworden ist, welche bisher den Süden gegen 
den Norden in die Schranken gerufen haben. Diese Antipathien wer- 
den so Gott will bald schwinden, namentlich wenn uns die Slüdeutschen 
erst einmal werden belgetreten sein; aber sie lassen sich nicht mit elnem 
Zauberschlage und auch nicht min einigen Redensarten Üüber verfassungsmäßige 
Garantien aus der Welt schaffen. Komme ich dann zu dem Amendement, 
welches der verehrte letzte Herr Redner vorgetragen hat, so hat er speciell 
an mich die Frage gerichtel, die ich bisher nur durch das flüchtige Wort 
„Ja wohl!" beantworten konnte, und die ich jetzt näher zu beantworten 
ihm schuldig zu sein glaube: „ob ich auch dieses Amendement als Ausge- 
burt des Particularismus betrachte?“ Ich sage wiederholt und wohl über- 
legt: Ja wohl! Ich betrachte jedes Amendement, was der Bildung des 
Norddeutschen Bundes, in der wir begriffen sind, irgend welche Verlegenhei- 
ten bereiten könnte, als eine Ausgeburt des Particularismus, und weun die 
Absicht des geehrten Herrn, wie ich ihm wenigstens parlamentarisch 
zugeben muß, nicht dahin gegangen ist, uns solche Verlegenheiten zu bereiten, 
(Heiterkeit.) so wird er mir selbst doch nicht widersprechen können, wenn ich 
sage, der Erfolg geht ganz gewiß dahin! Denn daß man von allen Staats- 
verträgen, z. B. vom Prager Frieden u. s. w. vollständig abstrahirt, daß 
man eben nur sagt, „den Süddeutschen Staaten steht der Beitritt frei, wenn 
ste sich der Bundesverfassung unterordnen“ und daß man sogar noch hinzu- 
füegt — und das ist der wesentliche Unterschied dieses Amendements von dem 
des Abgeordneten Duncker (Berlin) — „besondrer Vertrüge bedarf es nicht“, 
so daß also dieser Beitritt, abstrahirend von allen bestehenden Verträ- 
gen ipso jure eintreten soll, — da mag das verehrte Mitglied es mir nicht 
übel nehmen, wenn ich ein Amendement, was dergleichen ignorirt, für etwas 
völker = und staatsrechtlich Unmögliches erachte, daß ich es nicht als ein 
Amendement betrachten kann, was den Norddeutschen Bund fördern und den 
Sympathien, welchen das verehrte Mitglied mit so großer Wärme das Wort 
redet, den Sympathien für das große Deutsche Reich, irgeud eine practische
	        
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