656 Eingang und Ueberschrist der Berfassung.
Ausdruck „Vertretung des Norddeutschen Volkes“ lege ich Berwah-=
rung ein, und ich glaube, meine Herren, das werden Sie zugeben, da wir
nun einmal Polen sind und als solche dem Deutschen Volksstamme weder
angehbren noch angehören können, so sind wir auch weder befugt noch be-
rechtigt, Vertreter des Deutschen Bolkes zu sein.
C#westen.") Ich erkläre mich gegen das Amendement Scherer,
weil ich die Notlz, daß die Verfassung in Uebereinstimmung mit der
Gesammtvertretung des Volkes beschlossen worden, als eine historische
Thatsache nicht fÜür nothwendig erachte in der Ueberschrift der Ber-
fassung erwähnt zu werden. Das halte ich für überflüsslig. Dagegen
stimme ich mit dem letzten Herrn Redner darin üÜberein, daß ein
Norddeutsches Volk nicht vorhanden ist. Ich kenne ein Deutsches
Volk, aber kein Norddeutsches. Ich finde daher diese Bezeichnung nicht
passend und würde aus diesem Grunde bitten, das Amendement Scherer
nicht anzunehmen. Ich finde mich aber veranlaßt, gegen einige Aus-
führungen des Herrn Scherer Verwahrung einzulegen. Derselte
meint, das Preußische Abgeordnetenhaus habe das Parlament unter
seine Vormundschaft nehmen wollen, indem es sich eine nachträgliche Geneh-
migung oder Ablehnung der Verfassung, wie sie aus den Berathungen des
Reichstages hervorgehe, vorbehalten habe. Meine Herren! Dem Abgeord-
netenhause ist es nicht in den Sinn gekommen, eine Vormundschaft üben zu
wollen, sondern es hat in seinem Beschluß über das Wahlgesetz, anf dessen
Grund wir hier zusammen sind, die staaterechtliche und meines Erachtens
unanfechtbare Theorie ausgesprochen, daß eine bestehende Verfassung nur ouf
dem in ihr selbst vorgezeichneten Wege geändert werden kann, daß daher eine
Aenderung der Preußischen Verfassung, wie sie im durchgreifendsten Moße
durch die Einführung der Bundesverfassung stattfindet, nicht anders möglich
ist, staatsrechtlich allein ersolgen kann auf dem in der Preußischen Verfassung
bezeichneten Wege, d. h. in der Uebereinstimmung der drei Factoren der
Preußischen Gesetzzgebung. Das ist der Gedanke, der dem Beschlusse zu
Grunde gelegen hat. Wenn Herr Scherer wiederum das schon früher Aus-
gesprochene hervorgehoben hat, daß der Theil sich nicht geltend machen dürfe
gegen das Ganze und folglich auch die Preußische Landesvertretung nicht
gegen die aller Norddeutschen Staaten, so erwidere ich darauf: die Preußische
Landesvertretung hat den festen Boden eines bestehenden Rechtes unter ihren
Füßen und von dem darf eine Landesvertretung nicht weichen, ehe genan
festgesetzt ist, was an die Stelle des alten Rechts treten soll, während der
Reichstag berufen ist, etwas Neues zu gründen und noch nicht ein urkund-
liches Recht unter den Füßen hat. Herr Scherer wlederholte daun das eben-
falle bereits häufig Gehörte, daß das Preußische Abgeordnetruhaus unmöglich
St. Ber. S. 691 r. 9. u.