Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

666 Schlußberathung. 
über die festzustellenden gesetzlichen Schranken hinweg zusetzen; denn daß man 
künftig auch noch einseitig Verstärkungen unseres Heerwesens gegen die Be- 
stimmungen der Verfassungsurkunde vornehmen kann, das wird doch Nie- 
mand leugnen wollen. Also ein Conflict wird in keiner Weise vermieden, 
die Möglichkeit eines solchen besteht immer, sobald nur irgend welche Schranke 
gesetzt ist. — Es hat sodann der Königlich Sächsische Herr Bundescommissar 
noch einen speciellen Einwand erhoben, den ich nicht als zutreffend erachten 
kann. Er hat gemeint, das Budgetrecht würde wohl mit dem Einheitsstaat 
leichter verträglich sein als mit dem Bundesstaat, und zwar darum, weil 
nach Verweigerung der Matricularbeiträge Seitens des Reichstages die Landes- 
regierungen ihren eigenen Ständen gegenüber in der Unmöglichkeit seien, die 
Gelder in die Centralkasse versiren zu lassen. Allein, meine Herren, diese 
Betrachtung spricht gerade dafür, daß eine mindergroße Gefährlichkeit des 
Budgetrechts innerhalb des Bundesstaates besteht. Denn die Sachlage ist 
ja doch die, daß wenn möglicherweise eine tendenziöse Opposition Matricular= 
beiträge verweigert, die durch das Bedürfniß geboten sind, — daß alsdann 
jede Regierung eines Einzelstaates, die ja das Geld in ihren Kassen vor- 
räthig hat, kraft ihrer eigenen Finanzgesetzgebung sich von ihren eigenen 
Ständen autorisiren lassen kann, die nothwendigen Summen der Präsidial- 
gewalt zur Verfügung zu stellen. Also hat gerade die Bundesregierung zwei 
Factoren, die bewilligen können, während nur einer da ist, der verweigern 
kann. — Aber der Haupt-Schreckensruf gegen die Anerkennung des Budget- 
rechts ist von dem Herrn Präsidenten der Bundescommissare hier ausge- 
sprochen worden, indem derselbe erklärte, es werde damit dem Reichstage das 
Recht gegeben, die Existenz der Bundesarmee jährlich in Frage zu stellen. 
Ich antworte darauf, daß jeder Landesvertretung, welche über haupt ein Aus- 
gabebewilligungsrecht hat, hiernach das Recht gegeben wäre, die Existenz des 
Staates abzudecretiren. Deun in jeder Landesvertretung, welche das Recht 
hat, die Bedürfnisse aller anderen Verwaltungsbranchen zu bewilligen, können 
sie auch verweigert werden. Ich sage aber weiter, daß wenn dieses geschieht, 
dies ein unbestreitbarer Mißbrauch ist, weil neben dem Budgetrecht auch 
die Budgetpflicht steht, — die Pflicht nämlich, für die Bedürfnisse das Staa- 
tes aufzukommen, sie nicht zu verleugnen. Dieser Hohe Reichstag, als Ver- 
treter der Nation, wird sich aber sagen, daß eine unendlich geringere Gefahr 
besteht, daß derartige Mißbräuche zur Wahrheit werden, als daß auf der 
andern Seite, wenn das Budgetrecht der Nation nicht gewahrt wird, damit 
ipso jure und ipso lacto das absolute Regiment statuirt wird. Der Prä- 
sidialgewalt unb dem Reichsrathe steht ja außerdem noch das Recht der Auf- 
lösung, der Berufung an das Volk zur Seite, und das verehrte Mitglied 
für Hagen hat die Güte gehabt, sein Vertrauen auf das Deutsche Volk we- 
nigstens noch vor einigen Tagen auszusprechen, wenn er dies auch nicht in 
Bezug auf die Vertreter des Volkes gethan hat. Nun, meine Herren, dann 
wird auch wohl das Vertrauen gerechtfertigt sein, daß das Deutsche Volk
	        
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