Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Generaldebatte. Reicheusperget. 667 
einen berechelgten Appell der Krone auch rechtfertigen und sich nicht auf die 
Seite der mißbräuchlich handelnden Opposition stellen wird. Wenn dies aber 
dennoch geschieht, so ist allerdings das ganze Verhältniß außerhalb der Ver- 
fassungsschranke hinausgetreten. Donn treten wir in elementare Zustände 
zurlck und für solche Fälle werden wir doch keine Verfassungsabschnitte 
machen. Wir werden nicht Abschnitte aufstellen, die auf der einen Seite fr 
den Staatsstreich und auf der anderen für die Revolution maßgebende Nor- 
men aufstellen. Also denke ich, diese Gespenster können in der That Nie- 
manden beirren. Es ist eben nothwendig, daß das Wagniß übernommen 
wird, ob das Budgetrecht mißbraucht wird, ich übernehme meinerseits mit 
getrostem Muthe diese Gefahr und sage: Malo periculosam libertatem quam 
duietum servitium! Was nun das Verantwortlichkeitsprincip an- 
langt, so will ich mich darüber nicht verbreiten. Ich habe vielleicht schon 
die Geduld des Hohen Hauses zu lange in Anspruch genommen. Ich glaube 
auch anerkennen zu müssen, daß ein proctischer Erfolg für solche Auseinander- 
setzuigen heute und hier nicht erzlelt werden kann. Ich sage auch nur einige 
Worte in Beziehung auf die Diätenfrage, hinsichtlich deren zu meiner 
wirklichen Verwunderung das Collegium der Bundescommissarien eben hat 
erklären lassen, daß es in einer Wiederholung des srllheren Beschlusses ein 
Hinderulß des Zustandekommens der Norddeutschen Bundesversassung er- 
blicken werde. Ich meinestheils erkläre desfalls, daß ich mit dem lebhaftesten 
Interesse den Moment heranwünsche, wo es möglich sein wird, ohne eine 
materielle Beeinträchtigung des passiven Wahlrechts den Standpunkt einzu- 
nehmen, den das Englische Volk eingenommen hat. Es bedarf dazu jedensalls 
eines großen und tief verbreiteten Reichthums. Wenun dieser nicht vorhau- 
den ist, so haben Sie dadurch das passive Wahlrecht in einer Weise be- 
schränkt, wie es Niemand wagen würde durch ausdrülckliche Formultrung 
eines entsprechenden Census zu thun. Bisheran ist auf dem Continent nur 
für zulässig gehalten worden, das Oberhaus ohne Diäten und Reisekosten 
zusammenzusetzen. Es läßt sich dafür der entscheldende Grund anführen, 
daß dasselbe aus den Repräsentanten der hervorragendsten Lebensstellungen, 
den Vertretern von Vermögen und Intelligenz zusammengesetzt ist und die 
Diätenfrage hier präsumtiv in den Hintergrund tritt. Wie steht es denn 
aber selbst mit dieser Präsumtion in Preußen? Wie hat sie sich bewährt? 
Vergessen wir nicht, was wir in Preußeu erlebt haben! Wir wissen, daß 
bie 1854 die damalige erste Kammer, welche aus Wahlen hervorging und 
keine Diäten bezog, nach kurzem Bestande eigentlich lebendig todt war, 
(Widerspruch im Centrum), daß drei oder vier Wahlen nothwendig wurden, 
um Einen zu finden, der die Wahl annehmen wollte, und daß schließlich das 
Hauptcontingent der Mitglieder durch die Berliner Geheimen Räthe gestellt 
werden mußte. (Widerspruch rechts und Heiterkeit. Ruf: Thatsache!) Ich 
bewelse dies durch meine damals im Jahre 1854 auf der Tribüne ausge- 
sprochene und constatirte Ausicht, daß diee der Hauptgrund sei und sein müsse,
	        
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