Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

670 Schlußberathung. 
stand. Alle Abänderungen aber, welche beschlossen werden können, find ver- 
hältnihmäßig nur Minima, nur relative Fragen des Bertrauens oder des 
Mißtrauens gegen die künstige Haltung des Deutschen Reichstages. Ein 
kategorisches Nein diesen Aenderungen gegenliber auszusprechen kann ich nicht 
fnur möglich halten. Ich sage endlich, der Reichstag, wie er hier versammelt 
ist, will der großen Mehrzahl selner Mitglieder nach die freiheitlichen Staats- 
principien zur Geltung bringen (Lebhafte Zustimmung links). Die Mojorität 
kann es nach allen ihren Präcedenzien nicht anders wollen, es liegt dies in 
der Luft, es liegt in der Nothwendigkeit der Dinge. Nun hat die Deutsche 
national-liberale Partel seit Jahren immer das Eine Wort wiederholt: „Gebt 
uns nur ein Deutsches Parlament und wir heben das alte Deutschland aus 
den Angeln und setzen Euch einen neuen sreiheitlich organisirten Bundesstaat 
an die Stelle!“ Meine Herren, das Deutsche Parlament ist hier versammelt, 
das alte Deutschland ist längst aus den Angeln gehoben und doch fragt es 
sich heute, ob das Parlament sich nur die Krast zutraut, diejenigen Volks- 
rechte, die bereits in allen Versassungsurkunden der Einzelstaaten längst ver- 
wirklicht sind, seinerseits wenigstens zur Geltung zu bringen. (Bravo! links.) 
Wenn es dies nur will, d. h. ernstlich will, so hat es schon gesiegt, es wird 
und muß seinen Willen durchsetzen, gleichviel ob Einzelne der Herren Minister 
dies nicht wollen oder nicht können. Denn in der Sache selbst liegt kein 
Hinderniß, persönliche Verpflichtungen eines Ministers aber sallen mit seiner 
Person weg, — denn die Personen der Minister sind eben nicht unveränder- 
lich. Ich bin aber endlich auch der Meinung, meine Herren, daß es absolut 
nothwendig ist, nicht blos nach den Interessen und Wünschen der Bundes- 
staatlichen Gewalt zu sehen, sondern auch auf das Bolk. (Bravo! links.) 
Nach der Volksseite hin begegnen wir freilich einer gewissen Windstille, aber 
hinter jeder Windstille lauert ein Sturm und ich halte es nicht für unmög- 
lich, wenn auch jetzt wieder eine Enttäuschung folgt, wenn das geeinte Deutsch- 
land minder frei sein solle, wenn es weniger Volksrechte haben solle, als 
das frlhere zerrissene Deutschland, — daß alsdann das Volk doch einmal könmte 
mißmuthig werden und sich regen. (Bravo!l links.) Wenn Sie dagegen dem 
Deutschen Volke eine wirklich freiheitliche, seiner Geschichte, seiner Ehre, seinem 
bestehenden Recht entsprechende Bundesverfassung geben, dann wird es Ihnen 
und den Kronen dasür danken mit alter Treue und neuer Liebe, und es wird 
wahr werden, was Se. Majestät der König in der Thronrede in Aussicht 
gestellt hat, — es wird das Deutsche Vaterland in neuer Größe erstehen. 
(Bravo#x links.) 
Präsident der Bundescommissarlen Ministerpräsident Graf v. Gismarnh“) 
Ich bin nicht in der Lage, schon körperlich nicht, mich mit den ausgeruhten 
Kräften des Herrn Vorredners in einen neuen rednerischen Kampf über 
% St. Her. S. 699.
	        
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