Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artilel W. 21. Meyer. 59 
und es gehört ein längeres politisches öffentliches Leben dazu, um diese Begriffe 
zu corrlglren. Nun, meine Herren, behaupte ich, der Begriff der Beleidlgung 
und der Ehre, der bei den hier bemängelten Preußlschen Erkenntulssen zu 
Grunde gelegt ist, dieser Begriff beweist mir nicht, und hat mir In olelen 
Fällen, welche durch öffentliche Blätter zu unserer Kenniniß gelangt sind, 
nicht bewiesen, daß die Preußischen Richter eine Beleidlgung zu milde 
bestraft haben, sondern umgekehrt, daß sie n der Annahme des That- 
bestan des einer Beleidigung zu lelcht waren. Wenn, meine Herren, 
der Begriff der Beleidigung und der politischen Ehre ein festerer sein wird, 
wenn nicht eln Politiker schon durch den Hauch eines Wortes sich geschädigt 
und in seiner Ehre getroffen fühlt, dann, meine Herren, werden wir weniger 
PFreßver urtheilungen, weniger Beleidigungen wegen Amtsehrenkränkungen haben. 
Aber vielleicht werden wir dann in den Fällen der Verurtheilung auch stren- 
gere Strafen haben und Beides dürfte meines Erachtens viel gesünder und 
richtiger sein. Meine Herren, es ist gegen die Theilnahme der Be- 
amten an den Berathungen des Reichstages angeführt: die Col- 
lision ihrer Stellung als Beamte mit der Stellung als Ab- 
geordnete, eine Collision, welche sie dazu bringen kann, daß sie genöthigt 
sind, ihrem Chef im Relchstage Wahrheiten zu sagen, die sich mit 
der Beamtencourtoisie nicht verträgt. Melne Herren, das ist eln 
Motiv und ein Moment, hergenommen aus den Erfahrungen unserer letzten 
Preußischen Bergangenheit. Melne Herren, ich rechne bestimmt auf 
die Zustimmung aller Selten dieses Hauses, wenn ich glanbe, es ist nichts 
anrichtiger, als zu exemplifielren von den Erfahrungen unserer 
letzten Jahre aus. Diese letzten Jahre waren nach jeder Seite 
hin so ausnahmswelse, daß ich glaube, es wird eine Zeit kommen, wo 
man jedes Argument, hergenommen aus dieser Zeit, zurlckweisen wird mit 
dem Ausdrucke: sa, das waren ausnahmsweise Zeiten. Meine Herren! 
Die Indemnität, die das Preußische Abgeordnetenhaus dem Ministerium 
bewilligt hat mit der Zustimmung der großen Majorität des Landes, dürfte 
sich auch wohl beziehen auf alles das, was sonst in den Jahren 
vorgegangen ist. (Ruf: Zur Sache!) Das Argument also, meine Her- 
ren, das daraus hergenommen ist, um die Unzuträglichkeiten der Beamten- 
wählbarkeit zu beweisen — und insofern glaube ich äußerst sehr bei der Sache 
zu sein — dies Argument ist meines Erachtens durchaus ganz 
hinfälllg. Nun erwägen Sie aber noch die specielle Lage, in 
welche die Beamten hier auf dem Reichstage nur kommen können. Welche 
Beamten stehen denn hier Überhaupt den Regierungen gegen- 
über? dle Beamten der Einzelstaaten. Und wer steht ihnen 
gegenüber? nicht ihr Ressortchef, sondern die Organe der Bundes- 
gewalt. Also, meine Herren, es glebt zwischen den Beamten der Einzel- 
slagten und den Organen des Bundes keine unmittelbaren Bezlehungen. 
Die würden nur sein zwischen den Bundesbeamten und den Vertretern der
	        
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