Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

684 Schlußberathung. 
Stimmen auf diejenigen Leute richten, welche innerhalb ihres Wahlkreisee eine 
gewisse Bedeutung haben, eine Bedeutung, sei es durch öffentliche Wirksamkeit, 
sel es durch Besitz, sei es durch große Fabrikanlagen, sel es durch Intelligenz, 
in jedem Falle aber durch eine Thätigkeit und eine Situation, welche sie der 
öffentlichen Aufmerksamkeit signalisirt und sie als bekannte, geachtete Leute im 
Wahlkreise darstellt. Falsch aber und gefälscht wird das allgemelne Stiunn- 
recht, wenn die Wahl zu leiten gesucht wird auf strebsame, krankhaft streb- 
same Leute, die dlese Bedeutung nicht haben, (Heiterkeit links. Bravo rechts) 
die aber mit großer Lust, ihr vermeintliches Talent geltend zu machen, und 
in der Aussicht, fUr die Zeit, die sic hier verwenden, entschädigt, vlelleicht 
auch sogar über Verdienst entschädigt zu werden, (Ohl Ohl links. Heiterkeit 
und Bravo rechte) eine Agitation im Lande hervorrufen, welche die natkrliche 
Strömung der Bevölkerung aus dem Geleise treibt (Sehr richtig! rechts) und 
deshalb zu Gegenagitatslonen führt, Gegenagitationen selbst der Regierung 
hervorrufen muß. Wenn Sie sagen, es werde auf diese Weise hin und wie- 
der eine Intelligenz ausgeschlossen, so gebe ich das zu. Es kann aber dem 
allgemeinen Uebelstande gegenüber, den ich angedeutet habe, und der immer 
eintreten könnte und eintreten wird — ich erinnere an das Jahr 1848, wo 
es keinen Schrelber mehr gab, der nicht glaubte, auf dem Wege der Mit- 
gliedschaft der Nationalversammlung und der Diäten könne er zum Minister 
avanciren — (Heiterkeit rechts) ich glaube, diesem Uebelstande gegenüber kann 
der geriugere Uebelstand, daß hin und wieder eine Intelligenz ausgeschlossen 
wird, nicht in die Wagschale geworfen werden. Es ist nothwendig, daß eine 
Bersammlung, die das Volk repräsentiren soll, wirklich den Stempel trägt, 
daßh sie aus Repräsentanten des Volkes zusammengesetzt ist und nicht aus 
Leuten, die, um ihrem persönlichen Ehrgeiz und ihrer persönlichen Begabung 
Lust zu machen, à tout prix im Wegr der Agitation in die Versammlung 
hineinkommen. (Bravol) Das ist zunächst der Grund, weshalb wir 
glauben, daß dem allgemeinen Stimmrecht gegenüber die Versa- 
gung der Diäten — nicht ein Correctiv, so will ich es nicht aus- 
drücken, — sondern eine so natürliche Maßregel sei, daß alle Die- 
lenigen, die noch nicht fest von der Berechtigung und Richtigkeit 
des allgemeinen Stimmrechts Überzeugt sind, eigentlich ohne 
Weiteres darin einstimmen müßten, wenigstens während der 
Probezeit, diese Gegenbedingung, die an und für sich eine ganz natüirliche 
ist, Platz greifen zu lassen. Aber, meine Herren, die Frage geht weiter. 
Ich glaube, daß die Diätenfrage gerade wie die Deutschen Verhöältnisse 
liegen — und warum sollen wir uns darüber täuschen? — in Wirklichkeit 
eine Lebensfrage ist auch selbst für diejenigen Parlamente, die 
aus anderen Wahlen hervorgehen. Ich glaube es, daß, wie in der 
Vordebatte gesagt worden ist, die Wähler schaft z. B. in Preußen sich ge- 
wöhnt hat, ihre Abgeord neten in Kreisen auszusuchen, die nicht 
in Parlament erscheinen können, wenn sie nicht Diäten beziehen.
	        
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