Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

686 Schlaßderathung. 
weniger beeinträchtigt werden? Es ist das kein Ungluck, es liegt 
in der Natur der Sache, daß man zwei Geschäfte nicht machen kann, 
ohne daß zeitweilig das eine oder andere leidet. Wenn Sie aber eine Volke- 
vertretung zusammensetzen aus lauter Personen, die als ihr Haupünteresse 
das politische Interesse betrachten, dann, meine Herren, stbren Sie das natür- 
liche Verhältniß, welchee eigentlich in der Verwendung der Zeit für die öffent- 
lichen und für die privaten Interessen stattfinden mlüßte. Es ist kein Un- 
glück, wenn nach längerer Zeit des Zusammenseins sich der Versammlung 
das Gefühl bemächtigt, daß sic den öffentlichen Interessen Rechnung getragen 
habe und daß sie jetzt nach Hause gehöre. Ich glaube vielmehr, es ist kein 
Glück, wem die Mehrzahl der Mitglieder eines Parlaments aus Personen 
besteht, welche durch kein Privatinteresse nach Hause gerusen werden. Es 
werden dadurch lange Parlamente herbeigeführt, welche die Kräfte nach allen 
Seiten erschöpfen und welche, indem sie lange zusammensitzen, auf eine Bahn 
treiben, auf welcher sie nicht mehr im lebhaften Zusammenhange mit der 
Auffassung der Bevölkerung bleiben. Es werden dadurch Nachtheile herbei- 
geführt, soelche über kurz oder lang zu einer wirklichen Aenderung des Systems 
führen müssen. Sechs bie sieben Monate in einer politischen Versammlung 
zu sitzen und dabei noch Staats- oder Privatgeschäfte zu besorgen ist un- 
möglich. Ich glaube also, daß der leise Druck, welcher dadurch ausgelbt 
wird, daß die nichtremunerirte Gegenwart im Parlamente das eigene Haus 
in Crinnerung bringt, sehr naturgemäß ist und eine vernünftige Regelung 
der Verhältnisse herbeifuhrt. Dies sind im Allgemeinen die hohen 
politischen Rucksichten, (Große Heiterkeit linke) welche die ver- 
bündeten Regierungen bestimmt haben, die Frage zu einer fest- 
stehenden für sich zu machen, in welcher sie unter keinen Umständen ge- 
sonnen sind nachzugeben. Es soll dies keine Provocation sein; aber die Re- 
gierungen halten die Nichtbewilligung von Diöten für ein Stück des ganzen 
Gebäudes, auf welchem die Bundesoerfassung ruht, und welches sie nicht 
aufgeben können ohne Über die Erfolge der Verfassung in's Unsichere zu ge- 
rathen. Es würden deshalb die Commissäre, welche beim Zustandekommen 
dieses Entwurfes mitgewirkt haben, nicht in der Lage sein, ihre Zustimmung 
zu geben und es würde unter ihrer Mitwirkung die Bundesverfassung jetzt 
nicht zu Stande kommen, wenn der Reichstag sich anders ausspräche. Ich 
frage Sie aber, meine Herren: ist es denkbar, daß an einem solchen Punku, 
welcher für die Regierungen eine wesentliche politische Bedeutung hat, von 
welchem man aber im Auslande sagen wird, es sei eine Geldfrage für die 
Versammlung — (Unruhe und Widerspruch links) das Zustandelommen des 
Werkes scheitere? Es scheint mir unmöglich zu sein. Sie können unmöglich 
die Engländer glauben machen, daß der erste Schritt zur wirklichen Deutschen 
Einheit und Stärke darlber nicht habe zu Stande kommen können, daß den 
Vertretern des Deutschen Volkes nicht Diäten von neun Schilling täglich be- 
willigt worden seien.
	        
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