690 Schlußberathung.
telligenz und Charaktersestigkeit sich immer mit dem Geldbeutel decken.
Das ist eine Voraussetzung, die unzweifelhaft nicht zutrifft. Es
wird dadurch verhindert, daß die Wähler den Märmern ihres Vertrauens das
Mandat übertragen, sofern sie nicht zugleich die Bedingungen ersüllen, auch
drei Monate des Jahree in Berlin ohne Entschädigung leben zu können.
Meiner Ueberzeugung nach wird das Resultat das seln, daß in Zeiten der
Ruhe und politischen Abspannung wenig Leute sich finden werden zu einem
Mandate, daß dieselben also vielfach in die Hände von Leuten kommen, die
weniger Arbeitslust und weniger Arbeitefähigkeit haben, wie erforderlich ist,
um diejenigen Gesetze sachgemah zu berathen, deren Durchbringung gerade
für solche Zeiten nothwendig ist. Es werden eine große Menge Männer sich
zu Mandaten drängen, die eben nur die Annehmlichkeit einer socialen Stel-
lung in Berlin, wo sie als Volksvertreter auftreten können, als den Grund
für sich betrachten, ein Mandat zu erwerben. Anders aber wird die
Sache meiner Ueber zeugung nach sich gestalten in Zeiten großer
politischer Erregung. Wenn es in solchen Zeiten gelingt, irgend ein
Stichwort in die großen Massen zu werfen, dann werden wir der Agitation
im Volke in hohem Grade Raum geben, dann verhindern wir die Wäh-
ler, die Männer ihres Vertrauens, die ske in ihrer Nähe haben, die
mit ihren Verhältnissen bekanut sind, zu wählen, weil sie unter diesen
keinen sinden, der die Bedingungen erfüllt, während der Zeit einer Legis-
latur, während der Zeit eines dreijährigen Zeitraumes auf längere Zeit in
Berlin leben zu können. Dann werden die Agitatoren, die demo-
kratischen Agitatoren der Stadt Berlin sreies Feld haben und
werden in reichem Maße aus der Wahlurne hervorgehen. Das
ist meine Voraussicht. Ich kann mich in dieser Voraussicht täuschen,
meine Herren, aber ich glaube, daß die Zukunst mir Recht geben wird: die
Versammlungen werden, wenn keine Diäten bewilligt werden
und trotzdem das allgemeine Wahlrecht fortbesteht, diejenige
Stetigkeit ent behren, die eine sachgemäße, augemessene Entwicke-
lung unserer Staatsverhältnisse nothwendig erfordert. Es wer-
den, wie ich das schon bei der neulichen Erörterung gesagt habe, die Mittel-
parteien, der intelligente Bürgerstand, der nicht in der Lage ist, ohne eine
Entschädigung in Berlin auf längere Zeit zu leben, je lünger je mehr aus
der Versammlung schwinden und wir werden in ruhigen Zeiten — um mich
eines Ausdrucks, der einmal gang und gebe ist, zu bedienen — wesentlich
reactionäre und in aufgeregten Zeiten wesentlich demokratische Versammlungen
haben. Dies sind die Gründe, die auch heute noch meine Meinung
feststehen lassen, daß es zweckmäßiger wäre, wenn die Regierungen
nicht auf dem Artikel beständen, den sie in die Verfassung ausgenommen
wissen wollen. Trotzdem, meine Herren, stimme ich — und mit mir
Mehrere, viele meiner politischen Freunde — mit vollem Bewußtsein
heute für die Regierungsvorlage, und zwar lediglich aus Gründen, die wir