Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Anilel 60 (und 62). Bincde · H. 693 
ches hier in meiner Hand ist und bereits mit 114 Unterschriften, also jeden- 
falls mit einer Zahl von Unterschriften bedeckt ist, die ich meiner Erinncrung 
nach Überhaupt jemals uuter keinem Amendement gesehen habe“) — auch durch 
dies Amendement kann ich mich darüber nicht bernhigen; ich würde 
nur dann für das Amendement stimmen können, wenn vorher das Stol- 
berg'sche Amendement zu Artikel 60 angenommen und damit die Minimal- 
präsenzstärke der Armee Über jede Anfechtung erhoben ist, so lange bis die 
legislativen Factoren nicht Üüber eine Abweichung einig sind. Ich weiß — 
und es ist mir aus mehrfachen Besprechungen mit Mitgliedern des Hauses 
klar geworden, — daß man durch die Fassung des Amendements, die die Her- 
ren Amendementsteller gewiß nicht so gemeint haben, zu dem Glauben ver- 
leitet ist, die Amendementsteller wären selbst mit dem Artikel 60 und dem 
Stolberg'schen Zusatz einverstanden und hätten diesen Zusatz nur an eine 
andere Stelle bringen wollen. Ich werde mir daher erlauben milssen, mit 
wenigen Worten diesen Schein zu beleuchten und jene Ansicht zu widerlegen. 
Ich werde mir erlauben, zunächst den ersten Passus des Amendements, 
das von dem Herzog von Ujest und Genossen ein gebracht worden 
ist, zu verlesen. Es heißt darin: „Nach dem 31. December 1871 müssen 
diese Beträge von den einzelnen Staaten des Bundes zur Bundeskasse fort- 
gezahlt werden. Zur Berechnung derselben wird die im Artikel 60 interi- 
mistisch festgestellte Friedenspräsengstärke so lange festgehalten, bis sie durch 
ein Bundesgesetz abgeändert ist.“ Zunächst mache ich auf den wahrscheinlich 
unbeabsichtigten Gegensatz aufmerksam, der zwischen dem Artikel 62 in seinem 
stchen gebliebenen Theil in diesem Amendement sich befindet. In dem Ar- 
tikel 62 ist gesagt: es werden dem Bundes feldherru so viel mal 225 Tha- 
ler zur Disposition gestellt“ während das Amendement fortfährt: „Nach dem 
31. December 18717 — werden nicht etwa diese Beträge dem Bundesfeldherrn 
zur Disposition gestellt, sondern „sollen zur Bundes kasse fortgezaht werden.“ 
(Hört! hört! im Centrum.) Das Amendement könnte in dieser Beziehung 
noch immer höchst unschuldig scheinen und es würde ziemlich auf Eins hin- 
auskommen, wenn man nicht den ganzen Zusammenhang vergleicht. 
Nun heißt es aber in dem Amendement: „Zur Berechnung derselben wird 
die im Artikel 60 interimistisch festgestellte Friedenspräsenzstärke so lange fest- 
gchalten, bis sie durch ein Bundesgesetz abgeändert ist,“ es sollen also so 
lange, bis ein ausdrückliches Bundesgesetz ausdrücklich disertis verbis 
sagt: „die Bundespräsenzstärke soll nicht mehr 300,000 Köpfe, sondern soll 
vielleicht 200,000 Köpfe sein,“ — bis ein solches Gesetz von den legielati- 
ven Factoren vereinbart ist, so lange sollen 225 mal 300,000 Thaler in 
die Bundeskasse eingezahlt werden, mit einem Worte, dieser Theil der 
Einnahmen der Bundeskasse wird durch das Amendement bis zu dem eben 
in Aussicht genommenen Zeitpunkte gesichert. Ja, meine Herren, in dleser 
*) Amendement Ujest zu Artilel 62. S. sogleich und beziehgew. unten bei Art. 62.
	        
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