Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 22. Lusker. 75 
Stümmen das Gesetz befürwortet hatte. Melne Herren! Sie werden nun 
erkennen, woher unser Müßtrauen gegen das nackte Prlneip 
der Oeffentlichkeit, wie es im Versassungsentwurs ansgesprochen ist, 
wie ich denn die Herren von außberhalb Preußens, welche wir in unfrer 
Mitte zu sehen die Ehre haben, bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam 
machen will, woher es kommt, dah die Preuhischen Mitglieder bei den Ver- 
handlungen von mehr Mißtrauen erfüllt sind als Sie selbst, die Sie viel- 
leicht minder geschult sind in dem preuhisch-parlamentarischen Wefen. Was 
ist nun angeführt worden gegen den straffreien Berlicht unserer 
Berhandlungen und welche Milderung will die Preuhische Reglerung uns 
zu Theil werden lassen? Es ist angeshrt worden, daß in den Reichstag 
einzelne Mitglleder gewählt werden könnten, welche, wie der 
Herr Ministerpräsident sich ausdrückte, sogar im Sold fremder Stag- 
ten stünden und auf Kosten der Preußischen Reglerung ihre hoch- 
verrätherischen Reden durch ganz Deutschland würden verbrel- 
ten lassen. Der Reichstag hat alle diese Befürchtungen zu 
Schanden gemacht, und dann glaube ich, dab man der Kraft der 
parlamentarischen Debatte und der vollen Oessentlichkeit zu 
wenig vertraut, wenn man nicht zugiebt, dab in der gesammten Debatte 
das Correetiv gegen einzelne Ansschreltungen stets zu fünden sein maß. Frei- 
lich bei der Methode, welche gegemvärtig befolgt wird, nach dem schnellen 
Schluß, der hler sehr beliebt ist und mit vlelen patriotlschen Worten be- 
schönigt zu werden pflegt, kann es vorkommen, dabß eine Debatte in der 
Mitte abschneldet, nicht sehr zur Erleuchtung der Versammlung, nicht zum 
Vorthell der Gründlichkeit und zum großen Schaden für die Ausglelchung 
der Meinungen. Aber ich glaube doch, dahb der Irrthum, in der Schnellig- 
keit allein allen Patriotlsmus zu fuchen, wahrscheinlich bald in Abnahme 
kommen wird, und daß dann die parlamentarische Debatte das in Wahrheit 
leisten wird, was sie leisten soll, nämlich elne Durchleuchtung der zu behan- 
delnden Materie zu bieten, — nach meiner bescheidenen Einsicht der erheblichste 
Vortheil aller parlamentarischen Verhandlungen, welchen die Reglerungen 
nicht verschmähen sollten. Meine Herren! Sie haben gestern das Prineip 
des allgemeinen gleichen und directen Wahlrechts zum Verfassungs- 
gesetz erhoben. Zu meinem großen Bedauern habe ich selbst von llberaler 
Selte einzelne Stimmen gehört, die dagegen sich ausgesprochen haben. Ich 
halte es allerdings für elnen der erheblichsten Fortschritte, um des- 
willen ich von der Deutschen Bewegung unter allen Umständen vortrefsliche 
Rückwirkungen auf unsere Inneren Zustände erwarte. Aber Eines ist vor 
Allem nothwendig: die Kreife, welche dle Wahlen vollziehen und 
die parlamentarische Körperschaft constituiren sollen, müssen genaue Kennt- 
niß davon erhalten, was hier verhandelt wird; es genühgt nicht, 
wenn Sie nur einzelnen Kreifen den Inhalt unserer Verhandlungen zugäng- 
lich machen, sondern die weiten Schichten des Volkes, welche bei den Wahlen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.