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uns, wenn wir unsere Grenzen nicht mit undurchdringlichen Mauern um-
geben können, auf Umwegen zurlckkehren, gelesen werden und um so mehr
Aussehen machen wird, als sie in Preußen von Hause aus unterdruckt war.
Meine Herren! Die halbe Oeffentlichkelt geben und den Rest aus-
schließen, das ist weder conservativ, noch liberal, sondern führt
zur büreaukratischen Unordnung! (Braool links.)
Dr. Becker (Dortmund)). Meine Herren! Nach dem Vortrage des
Herrn Borrchners blelbt mir nur eine kleine Nachlese von Gründen
Übrig, aus denen ich Ihnen empfehlen möchte, für das Amendement
meines Freundes Ausseld zu Artikel 22 zu stimmen. Es handelt sich, wie
Ihnen des Weiteren schon ausgeführt ist, hier kelneswegs um eine Angele-
genheit der Presse, noch weniger discutiren wir die ganze Frage von der
Prohfreiheit, sondern es handelt sich lediglich um cine elgenste Angelegen=
heit des Reichstages. Hler kann man nichts Anderes sagen, als tua
res agitur. Wenn Sie, meine Herren, die Presse nicht außer
Versolgung erklären wollen, vorausgesetzt, daß sie wahrheitsgetreue
Berichte Über die Verhandlungen des Reichstages bringt, wenn Sie das nicht
thun, dann dürsen Sie auch nicht den Artikel 22 in der von den
Bundesreglerungen vorgeschlagenen Fassung annehmen, Sie
dürsen dann nicht sagen, die Verhandlungen des Reichstages sind öfsent-
lich. Meine Herren, die Presse ist in hunderten, in unzähligen Fällen da-
zu berusen, Ereigulsse, Ansichten, kurz die verschiedensten Dinge der Welt
erst in dle Oeffentlichkeit zu bringen. Diesen Beruf hat sie aber nicht bei
einem Parlamente, dessen Verhandlungen von Grund aus öffeutlich sind.
Was aus den Verhandlungen anderer Körperschaften erst durch die Presse
veröffentlicht wird, das ist bei uns, in diesem Saale, bereits veröffentlicht in
demselben Augenblicke, in welchem es verhandelt wird. Das Wort des Red-
ners ist veröffentlicht in demselben Angenblicke, wo es gesprochen isl, und
wird nicht erst veröffentlicht durch den Berichterstatter und die Presse. Man
klann darllber streiten, ob es richtig sel, die Verhandlungen parlamentarischer
Körperschasten in der Oeffentlichkeit vor sich gehen zu lassen; aber darüber
kann kein Zweisel sein, daß, wenn einmal die Oeffentlichkeit dafür vorge-
schrieben ist, dann derjenige, der bloß weitererzählt, was sich in der Oeffent-
lichleit ereignet hat, nicht für das verantwortlich gemacht werden kann, was
in dleser Oeffentlichkeit geschehen ist. Von demselben Augenblicke an, wo
Sie öfsentliche Tribünen einrichten, haben Sie die gesammte Nation einge-
laden, Ihren Verhandlungen zuzuhören. Wenn nun auch die Räumlichkeit
der Art ist, daß dle gesammte Nation nicht Platz nehmen kann, so ändert
das am Principe nichts. Wie viele oder wie wenige zuhören mögen, es
repröäsentiren die, welche gekommen sind, — und mögen sie gekommen sein,
) Si. Ber. S. 441.