Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

78 Neichsiog. 
uns, wenn wir unsere Grenzen nicht mit undurchdringlichen Mauern um- 
geben können, auf Umwegen zurlckkehren, gelesen werden und um so mehr 
Aussehen machen wird, als sie in Preußen von Hause aus unterdruckt war. 
Meine Herren! Die halbe Oeffentlichkelt geben und den Rest aus- 
schließen, das ist weder conservativ, noch liberal, sondern führt 
zur büreaukratischen Unordnung! (Braool links.) 
Dr. Becker (Dortmund)). Meine Herren! Nach dem Vortrage des 
Herrn Borrchners blelbt mir nur eine kleine Nachlese von Gründen 
Übrig, aus denen ich Ihnen empfehlen möchte, für das Amendement 
meines Freundes Ausseld zu Artikel 22 zu stimmen. Es handelt sich, wie 
Ihnen des Weiteren schon ausgeführt ist, hier kelneswegs um eine Angele- 
genheit der Presse, noch weniger discutiren wir die ganze Frage von der 
Prohfreiheit, sondern es handelt sich lediglich um cine elgenste Angelegen= 
heit des Reichstages. Hler kann man nichts Anderes sagen, als tua 
res agitur. Wenn Sie, meine Herren, die Presse nicht außer 
Versolgung erklären wollen, vorausgesetzt, daß sie wahrheitsgetreue 
Berichte Über die Verhandlungen des Reichstages bringt, wenn Sie das nicht 
thun, dann dürsen Sie auch nicht den Artikel 22 in der von den 
Bundesreglerungen vorgeschlagenen Fassung annehmen, Sie 
dürsen dann nicht sagen, die Verhandlungen des Reichstages sind öfsent- 
lich. Meine Herren, die Presse ist in hunderten, in unzähligen Fällen da- 
zu berusen, Ereigulsse, Ansichten, kurz die verschiedensten Dinge der Welt 
erst in dle Oeffentlichkeit zu bringen. Diesen Beruf hat sie aber nicht bei 
einem Parlamente, dessen Verhandlungen von Grund aus öffeutlich sind. 
Was aus den Verhandlungen anderer Körperschaften erst durch die Presse 
veröffentlicht wird, das ist bei uns, in diesem Saale, bereits veröffentlicht in 
demselben Augenblicke, in welchem es verhandelt wird. Das Wort des Red- 
ners ist veröffentlicht in demselben Angenblicke, wo es gesprochen isl, und 
wird nicht erst veröffentlicht durch den Berichterstatter und die Presse. Man 
klann darllber streiten, ob es richtig sel, die Verhandlungen parlamentarischer 
Körperschasten in der Oeffentlichkeit vor sich gehen zu lassen; aber darüber 
kann kein Zweisel sein, daß, wenn einmal die Oeffentlichkeit dafür vorge- 
schrieben ist, dann derjenige, der bloß weitererzählt, was sich in der Oeffent- 
lichleit ereignet hat, nicht für das verantwortlich gemacht werden kann, was 
in dleser Oeffentlichkeit geschehen ist. Von demselben Augenblicke an, wo 
Sie öfsentliche Tribünen einrichten, haben Sie die gesammte Nation einge- 
laden, Ihren Verhandlungen zuzuhören. Wenn nun auch die Räumlichkeit 
der Art ist, daß dle gesammte Nation nicht Platz nehmen kann, so ändert 
das am Principe nichts. Wie viele oder wie wenige zuhören mögen, es 
repröäsentiren die, welche gekommen sind, — und mögen sie gekommen sein, 
) Si. Ber. S. 441.
	        
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